Acht Tage im August
hinter ihm schloss.
Der Notarzt-Einsatz war auch bei der Polizei registriert worden, da der erste Anruf wegen des Mädchens bei der Nachtbereitschaft eingegangen war. Als Hammer am Morgen routinemäßig im Computer die Meldungsübersicht der vergangenen Nacht durchging, blieb er bei dieser Meldung hängen. Es wurden immer mehr Meldungen dieser Art.
Ihren ersten Rausch kriegten die Kids nicht mehr durch sozialverträglich versteuerte Brauereiprodukte, sondern durch ›Vanilla Sky‹, ›Lava Red‹ und wie das Zeug sonst noch hieß, oder, schlimmer noch, durch ›Crystal‹.
Drogen fielen nicht in seine Zuständigkeit, aber er hatte die chronisch überlasteten Kollegen schon öfter unterstützt, wenn in seinem Dezernat Leerlauf herrschte. Drum war ihm auch klar, dass sie solch einer Bagatelle eh’ nicht nachgehen würden. Er hingegen suchte einen Vorwand, um aus dem Büro zu verschwinden, ehe die Gerstmann wieder über ihn kam.
Vor allem aber juckte ihn die Nase und er hatte gelernt, ihr zu folgen. Er hinterließ Assauer eine Notiz und machte sich auf ins Klinikum.
Sein Kollege befand sich derweil in schweißtreibendem Trab kurz vor dem Wendepunkt einer 15-km-Runde. Entgegen seiner Gewohnheit, Füße und Gedanken einfach laufen zu lassen, konzentrierte Assauer sich dabei auf den Fall. Warum gab es keine Spur des Mannes, mit dem Anna geschlafen hatte? Dass es ihn gab, stand ja fest, aber er war einfach nicht zu greifen, ein Phantom, wie Hammer gesagt hatte. Eins, das keine Spuren hinterließ, keine Handynummer, keine SMS, keinen Brief, keinen Zettel, überhaupt nichts. Die einzige Hoffnung, doch noch etwas über ihn rauszufinden, war Annas Laptop. Und an dem schien sogar Bert sich die Zähne auszubeißen. Es war wie verhext!
Assauer war über seine Gedanken immer schneller und schneller geworden und merkte auf einmal, dass ihm die Puste auszugehen drohte. »Komm runter!«, befahl er sich, fiel in Trab, gewann rasch seinen ruhigen Atemrhythmus zurück.
Ein getigerter Kater saß auf einem Zaunpfahl wie jeden Morgen, wenn er hier entlangkam. Assauer verlangsamte seinen Schritt und ging auf das Tier zu. Der Kater drückte vertraut den regennassen Kopf in seine Hand, ließ sich kraulen und schnurrte genussvoll dabei.
»Deinen untrüglichen Instinkt bräuchte ich«, sagte Assauer leise. »Du kannst in Menschen lesen wie in einem Buch und bleibst ihnen dabei selbst ein Rätsel. Bis bald.«
Assauer lief weiter. »Denk noch einmal nach«, ermahnte er sich, während er in sein gewohntes Tempo verfiel. Ein Gefühl stieg wieder in ihm auf. Ein Gefühl, das sich seit Tagen immer wieder meldete, das Gefühl, etwas übersehen, längst Hinweise auf die Identität von Annas mysteriösem Freund vor Augen gehabt, sie aber nicht wahrgenommen zu haben. Er hasste dieses Gefühl, das immerzu rief: »Schau halt hin!«, während er den Wald vor lauter Bäumen nicht sah.
Als er es einmal Hammer gegenüber erwähnt hatte, meinte der nur: »Kenn ich, Fata Morgana. Gibt’s nicht, ist aber trotzdem da.«
Nun war es wieder da, dieses Gefühl, und es schrie geradezu: »Schau halt hin, mach doch endlich die Augen auf!« Es war zum Auswachsen!
Ob es Sinn hatte, noch einmal mit Annas Mutter zu reden? Er verwarf den Gedanken gleich wieder. Seit er erfahren hatte, dass auch Claudia Friese jetzt ihren Mann verdächtigte, war ihm klar, dass die nur noch Blut sehen wollte. Was immer sie ihm erzählte, würde darauf abzielen, Walter Friese zu schlachten.
Sie mussten, verdammt noch mal, endlich Annas Freund aufspüren. Bloß, wo ansetzen? Sie hatten ja schon jeden Stein umgedreht und immer nur ins Leere gegriffen.
Es war ihm egal, dass er heute mit heftiger Verspätung im Büro einlaufen würde. Es standen ja genug Überstunden auf seinem Konto. Vor allem aber hatte er keine Lust auf den programmierten Zusammenstoß mit der Gerstmann.
Hammer hatte ihr am Vorabend den gewünschten Bericht auf den Schreibtisch gelegt. Er umfasste nur den lakonischen Satz:
›Aufenthalt von Prof. Dr. Friese unbekannt, suchen weiter. Gez. Hammer‹.
Die Gerstmann würde ausrasten!
Assauer lief weiter und registrierte erfreut, dass der Regen mehr und mehr nachließ.
***
»Spice«, sagte Dr. René Puttering, »synthetisches Cannabinoid, fein abgestimmt mit diversen getrockneten Kräutern. Ein leckerer Cocktail. Wird als harmlos angepriesen, ist’s aber nicht. Sie hat unserem Notarzt die Tasche vollgekotzt, und zwar randvoll. Aus der Brühe haben wir’s
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