Acht Tage im August
Klamotten sind immer noch nicht ganz trocken. Ich will heim, bevor ich mir noch eine Erkältung hole, mitten im Sommer.«
6 Diridari = Geld
Mittwoch
Die Briefe kamen schon am Mittwoch. Martina Donabaur legte sie Walter Friese mit der anderen Post auf den Frühstückstisch. Dann ging sie heim, um sich für Annas Beerdigung umzuziehen.
Friese riss den Umschlag mit Absender der Bank auf und las. Der Direktor der Sparkasse teilte ihm mit, er sehe sich zu seinem Bedauern veranlasst, sämtliche Kredite zu kündigen. Man bitte um Begleichung der Verbindlichkeiten innerhalb von sieben Werktagen. Es bestünden begründete Zweifel an seiner Bonität. Im Interesse der übrigen Kunden sehe er sich daher zu diesem Schritt gezwungen. Er stehe selbstverständlich gerne zu einem Gespräch zur Verfügung, sollte Klärungsbedarf bestehen. An der grundsätzlichen Entscheidung werde das jedoch nichts ändern.
Es folgte eine Gesamtaufstellung der Verbindlichkeiten.
Friese goss Kaffee nach und legte den Brief achselzuckend zur Seite.
Das zweite Schreiben mit Briefkopf der Münchner Anwaltskanzlei Hochstedter, Ellmann & Partner informierte Friese in knappen Worten darüber, dass seine Frau Claudia die Scheidung eingereicht habe. Es seien die erforderlichen Schritte eingeleitet worden, um ihre Ansprüche aus der ehelichen Gütergemeinschaft zu ermitteln und den Zugriff darauf zu sichern. Zudem sei bei Gericht der Antrag gestellt worden, ihm den Zutritt zur ehelichen Wohnung zu untersagen.
Walter Friese ließ den Brief einfach auf den Boden fallen. Er war ihm egal. Es war nur noch dumpfe Leere in ihm. Er spürte, dass sich eine Schlinge um ihn zuzog.
Bereits früh beim Aufstehen hatte er Leute mit Kameras in den Hof schleichen sehen, begierig, ein Bild von ihm zu erhaschen. Auf die Idee, sie mit seinen Riesenhänden hinauszuwatschen, war er nicht gekommen. Er war nicht der Typ. Es war ihm aber klar geworden, dass ihn, sollte er zu Annas Beerdigung gehen, ein Spießrutenlauf oder Schlimmeres erwartete. Sein Kind würde ohne ihn begraben werden.
Um neun telefonierte er mit seiner Sprechstundenhilfe, wies sie an, alle Termine abzusagen, ein Schild an die Tür zu hängen, dass die Praxis diese Woche geschlossen bleibe, und die Adresse seiner Vertretung anzugeben. Dann könne sie nach Hause gehen und den Rest der Woche freimachen, sagte er. Nach kurzer Überlegung beschloss er, bis vierzehn Uhr, dem Zeitpunkt von Annas Beerdigung, zu warten. Die Aasgeier würden sich dann am Friedhof versammeln, dachte er, sodass er den Hof unbehelligt würde verlassen können.
Draußen hörte er ein Auto vorfahren. Durch die Vorhänge sah er Hammer und Assauer aussteigen. Sie kamen näher und läuteten, warteten, klopften, hämmerten schließlich an die Tür. Als niemand öffnete, stiegen sie wieder ein und fuhren weg. Walter Friese stand hinter einer Jalousie im ersten Stock und sah sie vom Hof fahren.
»Den Weg hätten wir uns sparen können«, schimpfte Hammer, »war doch klar, dass der heute auf Tauchstation geht.«
Sie waren nach einer ruppigen Aussprache mit ihrer Vorgesetzten nach Rasting gefahren.
»Dann nehmt euch gefälligst diesen Zahnarzt vor«, hatte die Gerstmann sie in Orchesterlautstärke angebrüllt, als Hammer ihre Vorwürfe angesichts der mageren Ermittlungsergebnisse aus Annas Umfeld mit den Worten konterte: »Wo nichts ist, kann man nichts holen.«
Petra Gerstmann hatte sich durch den Bericht über die dünnen Ermittlungsergebnisse bestätigt gefühlt. Vor allem aus den zitierten Andeutungen der Leute in Rasting und aus der Tatsache, dass Anna nie mit irgendjemandem gesehen worden war, fühlte sie sich in ihrer Meinung bestärkt, niemand anderer als der Vater habe Anna auf dem Gewissen.
»Da sehen Sie’s doch selbst«, hatte sie triumphiert, »alles deutet auf diesen Mann hin. Haben Sie den eigentlich schon mal eingehend vernommen?«
Hammer und Assauer tauschten Blicke. Nichts deutete auf diesen Mann hin. Rein gar nichts. Es gab überhaupt keinen Hinweis in irgendeine Richtung. Aber das war der Gerstmann natürlich scheißegal. Die suchte nicht den Schuldigen, die wollte Beute machen!
»Der Mann ist am Boden zerstört«, mischte sich Assauer ein, »außerdem wird heute Nachmittag seine Tochter beerdigt. Nicht gerade der richtige Zeitpunkt, eher ein wenig unsensibel, oder?«
»Seit wann sind Sie denn so zart besaitet, das wär’ ja was ganz Neues«, spottete die Gerstmann. »Sehen Sie zu, dass Sie sich den Kerl greifen
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