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Acht Tage im August

Acht Tage im August

Titel: Acht Tage im August Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winter
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analysiert. Gott sei Dank ist sie rechtzeitig gefunden worden. Sie ist schon wieder wach. Ihren Brummschädel wird sie aber morgen noch haben.«
    Der Arzt stand mit Hammer auf dem Gang vor dem Krankenzimmer des Mädchens. Sie kannten sich vom Bogenschießen und hatten einander etliche knappe Wettkämpfe geliefert. Meist lag der Arzt ein paar Ringe vorn. Was ihn beim letzten Turnier zu dem freundschaftlichen Rat veranlasst hatte, Hammer möge doch besser in der Grobmotoriker Klasse antreten.
    »Kommen ihre Eltern sie abholen?«, wollte Hammer wissen.
    »Ja, wird aber noch dauern. Sie heißt übrigens Susi Heller. Ist gerade mal fünfzehn.«
    »Sauber, die werden immer jünger! Meinst du, ich könnt’ mal mit ihr reden?«
    »Klar, geh’ rein. Ich muss sowieso los, wir haben gleich Visite.«
    Susi Heller sah elend aus. Weiß wie die Krankenhauskissen und mit Augenringen wie Lkw-Reifen. Aber sie war sehr gesprächig. Als sie eine gute Stunde später von ihren stinksauren Eltern abgeholt wurde, hatte Hammer ein umfassendes Who is Who ihrer Drogenszene im Notizbuch. Ein Name war immer wieder gefallen: Peter Grimm. Sein Loft war jeden Samstagabend Passaus erste Adresse für Sex, Drugs and Rock ’n Roll.
    Hammer stieg äußerst zufrieden in sein Auto. Er hatte Peter Grimms Sollbruchstelle entdeckt. Jetzt konnte er ihn bei Bedarf knicken wie ein Streichholz.
    Der Tag hatte gut angefangen. Er rief Assauer an und erwischte ihn auf dem Handy, als der gerade frisch geduscht seine Wohnung verließ.
    »Komm ins Kowalski, wir frühstücken da«, ordnete Hammer an. »Ich hab’ Neuigkeiten, die ich nicht im Büro ausbreiten will.«
    »Nichts lieber als das«, antwortete Assauer und änderte seine Richtung.
    Hammer saß schon vor einem üppigen Frühstück, als Assauer eintraf.
    »Ich geh’ erst mal ans Buffet«, grüßte der, »da hast du was zum Lesen derweil.« Er reichte Hammer die Zeitung mit Grimms neuester Attacke.
    ›Schuld?‹ lautete die Schlagzeile über einem Bild, das Walter Friese allein an Annas Grab zeigte.
    Hammer las den Text:
    ›Zur Beerdigung seiner Tochter Anna traute Walter F. sich nicht. Erst in der Dämmerung schlich er sich heimlich an ihr Grab. Ein Schuldbekenntnis? Ist er verantwortlich für ihren Selbstmord? Trieb die Reue den Vater ans Grab? Der Wunsch, Anna Abbitte zu leisten? Weiter auf Seite drei.‹
    Hammer blätterte um. Da stand:
    ›Gestern Nachmittag ist die sechzehnjährige Anna F. zur letzten Ruhe gebettet worden. Ihr dramatischer Selbstmord – wir berichteten – bewegt die Menschen weit über unseren Landkreis hinaus. Die Mutter, Claudia F., die vor ihrem Mann nach München geflohen war, stand, flankiert von ihren Eltern, am Grab. Hinter ihr eine unübersehbare Menge von erschütterten Menschen, die mit ihrem Kommen ihre Anteilnahme bekundeten. Unter ihnen …‹ Es folgte eine Aufzählung von Adabeis 8 , die Grimm auf dem Friedhof gesichtet hatte. Eingestreut in den Text waren verschiedene Bilder. Der Bericht schloss mit den Worten: ›Viele der Trauernden äußerten die Erwartung, der Tod dieses Mädchens möge nicht ungesühnt bleiben. Es steht zu hoffen, dass die Polizei ihre Untersuchung des Falles bald erfolgreich abschließt.‹
    »Diesem Grimm tret’ ich so in seinen Arsch, dass er Orbitalgeschwindigkeit erreicht«, schimpfte Assauer, als er mit vollen Tellern vom Buffet kam.
    »Das wirst du brav bleiben lassen, dem sein Arsch gehört seit heute früh nämlich mir«, entgegnete Hammer und berichtete ausführlich von seinem Besuch im Krankenhaus.
    Mit jedem Wort schmeckte Assauer das Frühstück besser.

    ***

    Es klingelte weit weg in der Ferne, dann näher, dann ganz nah, schließlich schmerzhaft laut. Die Schwärze wich aus seinem Kopf. Er blinzelte. Das Klingeln trieb Nadeln in seinen Schädel. Das Telefon läutete noch einmal und wieder, dann hörte es auf. Nur mehr dumpfe Geräusche drangen zu ihm. Der vormittägliche Lärm Passaus, gedämpft durch die geschlossenen Fenster.
    Walter Friese hob den Kopf. Auf dem Tischchen neben dem Behandlungsstuhl, auf dem er ausgestreckt lag, sah er leere Ampullen und eine Spritze. Es war nicht genug drin gewesen für seinen zu groß geratenen Körper. Es hatte nicht gereicht für den ganzen Weg zu seiner Tochter. Er stemmte sich hoch, kam auf die Füße, fühlte sich schwindlig. Aber der Schwindel dauerte nur einen Augenblick, rasch wurde er klarer, erlangte die Kontrolle über Sinne und Glieder zurück. Einen vorsichtigen Schritt

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