Acht Tage im August
und durch die Mangel drehen. Und lassen Sie die Glacéhandschuhe weg. Bericht heute Abend auf meinem Schreibtisch.«
Solchermaßen verdonnert, waren Hammer und Assauer erneut nach Rasting gefahren. Die Anordnungen der Gerstmann waren ihnen natürlich egal. Die konnte ihnen gar nichts oder anders gesagt, die konnte sie mal kreuzweise, aber so kamen sie wenigstens aus dem Büro und aus ihrer Schusslinie. Und natürlich juckte beide auch die Frage nach Annas Motiv. Es musste doch rauszukriegen sein, was das Mädchen bewegt hatte, sich umzubringen. Vielleicht hatte der Vater doch einen Anhaltspunkt, der ihm selbst gar nicht bewusst war, und sie konnten ihn aus ihm rausfragen. Wenn sie ihn erst mal gefunden hatten.
»Hoffentlich lässt der Friese sich nicht bei der Beerdigung blicken«, sagte Assauer unterwegs. »Aufgeheizt, wie die Stimmung ist, kann Gott weiß was passieren.«
***
Der Andrang zu Annas Begräbnis war so groß, dass die Polizei den Zugang zum Passauer Innstadtfriedhof schon frühzeitig sperren musste. Das lag nicht nur an dem rührseligen Artikel Grimms unter der Schlagzeile ›Trauer‹ auf Seite eins.
Der Fall hatte längst überregionales Medien-Interesse geweckt. Eine unübersehbare Menge drängte sich daher auch auf den Passauer Innstadtfriedhof. Auf Pfarrer Arnsbergers Weigerung hin, Anna in Rasting zu bestatten, hatten ihre Eltern hier eine letzte Ruhestätte für ihr Kind gefunden.
Natürlich war Trauer für die wenigsten der Beweggrund ihres Kommens. Schiere Neugier und die Erwartung eines Eklats am Grab steckten dahinter. Sie wurden enttäuscht. Auch die vorsorgliche Mahnung Hammers an den Einsatzleiter, Walter Friese nur ja abzuschirmen, falls er auftauchte, erwies sich als überflüssig. Professor Dr. Walter Friese kam nicht.
Die Feier lief in aller Ruhe und Würde ab. Ein Chor des Auersperg- Gymnasiums sang Schuberts ›Ave Maria‹ und die Trauerrede am Grab hielt ein Freund von Claudias Eltern, ein Prälat, der mit ihnen aus München gekommen war. Als er sich allerdings zu den Worten verirrte: »Nackt kommen wir in diese Welt, nackt verlassen wir sie wieder«, musste Assauer Hammer daran hindern, ihm einen Blumenkübel an den Kopf zu schmeißen.
Nach einer Stunde war es vorbei. Die Leute verliefen sich wieder. Auch Hammer und Assauer verließen den Friedhof, froh, dass alles gut gegangen war.
Einer blieb da: der Journalist Peter Grimm.
Routiniert hatte er mit seiner Nikon die Trauergemeinde durchpflügt und umkreist und eine beträchtliche Jagdstrecke aufzuweisen. Sein wichtigstes Wild würde aber erst noch kommen. Er nahm den Rucksack ab, setzte sich auf eine Bank, brachte ein i-pad und eine Thermoskanne mit Tee zum Vorschein und schenkte sich einen Becher ein. Das iPad verband er mit der Kamera, ging in aller Ruhe die Bilderausbeute durch und versandte eine Auswahl an die Redaktion. Er konnte sich Zeit lassen. Nachdem er eine neue Speicherkarte in die Nikon geschoben hatte, tippte er in aller Ruhe seinen Bericht und schickte ihn den Bildern hinterher mit dem Hinweis, das Titelfoto werde noch folgen. Dann sah er den Arbeitern zu, die Erde in Annas Grab schaufelten.
Grimm musste warten bis zur Dämmerung. Dann sah er ihn kommen. Rasch wechselte er auf ein lichtstarkes Teleobjektiv und verschwand im Gebüsch. Begegnen wollte er dem Mann lieber nicht. Als die beeindruckende Gestalt an Annas Grab anlangte und dort still verharrte, schoss Grimm eine Bildreihe. Er wartete noch, bis der Mann wieder verschwunden war, dann schickte er die drei besten Fotos an die Redaktion.
***
Hammer und Assauer versuchten am Abend noch einmal, Walter Friese ausfindig zu machen. In Rasting bekamen sie von Martina Donabaur, die nach der Beerdigung direkt zum Hof der Frieses gefahren war, lediglich die Auskunft, Professor Friese sei mit dem Auto weg. Wohin er gefahren sei, wisse sie nicht.
Hammer wollte auf diese Auskunft hin wieder los, wurde aber von Assauer am Ärmel festgehalten.
»Da wir schon mal hier sind«, sagte er an Martina Donabaur gerichtet, »hätte ich ein paar Fragen an Sie.«
»Wenn ich helfen kann, bitte.«
»Wie war das Verhältnis von Anna und ihrer Mutter?«
»Schwierig, würde ich sagen. Da war öfter mal dicke Luft zwischen den beiden. Anna war immer froh, wenn die Mutter auf Geschäftsreise war.«
»Und zum Vater?«
»Mein Gott, Anna und ihr Vater. Das hätten Sie sehen sollen! So was von einer Liebe zwischen Vater und Kind. Anna war sein Ein und Alles und sie hat
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