Achtsam leben, lieben, handeln - ein spiritueller Begleiter durch das Jahr
Gebet, das aus uns aufsteigen kann. Es gibt für so vieles zu danken, und wäre es der Himmel, der uns überspannt, oder die Luft, die uns umgibt.
Ein armer Mensch wurde gefragt, was er denn sage, wenn er bete. Er antwortete: âAch, nichts als ach.â Dies âAchâ kann in vielen Tonarten gesungen werden, je nach der Stimmungslage dessen, der beten möchte: als Bitte, als Dank, vor allem als groÃes Staunen.
Das Gebet ist kein Vorrecht von Frommen oder Gerechten. Jeder Mensch kann und darf beten, selbst einer, der von sich sagt, er glaube nicht oder er könne nicht beten. Dann beginnt er mit seinem Unvermögen den Glaubensweg, der ihn auf eine wundersame Spur bringen kann. SchlieÃlich kommt das Gebet nicht aus dem Mund, sondern aus dem Herzen. Mag der Mund plappern, das Herz spricht aus der Tiefe heraus. Deswegen rät die Heilige Schrift, âim Heiligen Geistâ zu beten, also mit dem, was in jedem Menschen in seinem Innersten grundgelegt ist. Im Gebet wird die Verwandtschaft des Menschen mit Gott offenbar. Es entwickelt sich eine vertrauensvolle Zugehörigkeit, die nichts erzwingen will. Aus dieser Zugehörigkeit zum groÃen Ganzen entsteht das Bewusstsein: Nichts ist für uns allein gegeben.
Wo betet ihr
Ein französischer Geistlicher war bei einem bayerischen Mitbruder zu Gast. Der wurde nicht müde, seinem Gast die wundervollen barocken Kirchen zu zeigen. Fast an jedem Tag wartete er mit einer weiteren Kostbarkeit auf. Der Franzose war überwältigt von der groÃen Pracht, die sich jedes Mal seinen Augen bot. SchlieÃlich sagte er am Ende seines Aufenthalts: âHerrliche Kirchen habt ihr, ich kann mich nicht sattsehen. Aber eine Frage habe ich: Wo betet ihr?â
Wenn ihr betet,
sollt ihr nicht plappern wie die Heiden,
die meinen, sie werden nur erhört,
wenn sie viele Worte machen.
Matthäus 6,7.8
Gebet ist das Atemholen der Seele.
Johann Wolfgang von Goethe
Die Natur ist ein einziges groÃes Atmen. Das gilt für die in sich ruhenden Berge genauso wie für den ruhelosen Ozean in seinem ständigen Kommen und Gehen. Der Berg und das Meer sind zwei besondere Orte, wo die menschliche Seele frei atmen und zu sich selbst kommen kann. Dann betet der Berg, dann betet das Meer für den Menschen, der sich am Saum voller Verwunderung niedergelassen hat.
Die Wildheit des Gebirges und die Wildheit der See haben heilende Kräfte wie das Gebet. Beide atmen auf ihre Weise und lehren den Menschen das Atemholen der Seele.
Wie das bewusste Atmen, so verlangsamt das Gebet den Fluss der Gedanken und Pläne. Dann kann es gelingen, selbst noch das Leid oder eine Krankheit aus einer gelassenen Ruhe heraus zu betrachten. Nicht selten bringt unser Gebet über ein neues Denken dem Körper Energie, Heilung und Heil.
Das lehren Gebirge und Ozean. Schon deswegen sollten wir wenigstens einmal im Jahr hier oder dort gewesen sein. Denn Menschen, die nicht im Stande sind, Gott ganz zweckfrei zu loben und zu preisen, werden kalt und lassen ihre Umgebung frieren.
Umgekehrt ist es so, dass unsere Gebete die Gebete des anderen fördern und verstärken. Alle Gebete dieser Welt ergänzen sich gegenseitig. Wenn ich hier bete, wird am Amazonas oder in China ein Mensch gerettet. Wenn ein Mensch in Tibet oder in Peru sich zum Gebet erhebt, bewegt er etwas in Europa oder Afrika.
Die Vögel
âIch kann nicht betenâ, klagte der Schüler dem Abt, der auf der Gartenbank saà und in ein Buch vertieft war. âAlso werde ich das Kloster verlassen, denn ich bin hier fehl am Platz.â Der Abt sah nur kurz auf und sagte: âSetz dich zu mir und sieh den Vögeln zu!â Der Schüler verfolgte das Spiel der Vögel am Himmel, das Auf und das Ab, das ruhige Kreisen eines einzelnen, das gemeinsame Hin- und Herschwingen im Schwarm, das scheinbar mühelos und ohne jeden Befehl gelang. Ein Falke stand gar ruhig am Himmel, bevor er im Sturzflug zur Erde niederging. In ein langes Schweigen hinein sagte der Abt: âWenn du nicht beten kannst, lass es die Vögel tun: Sie sind dein Gebet.â
Und alles, was ihr im Gebet erbittet,
werdet ihr erhalten, wenn ihr glaubt.
Matthäus 21,22
Das Gebet ändert Gott nicht,
aber den Menschen.
Ãndert sich der Mensch,
verändert sich die Welt.
Das Gebet ist nie vergebens. Manchmal haben wir groÃe Scheu, Gott um etwas zu bitten, vor allem wenn wir schon lange nicht mehr gebetet
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