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Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen

Titel: Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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1. Kapitel
     
    » Bi tte sag nicht, dass die zu meinem Geburts tagsessen he u te Abend gehört.«
    Ich starre einer Kobra in die Augen. Eine überr a schend rosafarbene Zunge züngelt aus ihrem gra u samen Mund, während ein blinder Inder meiner Mutter seinen Kopf zuneigt und auf Hindi erklärt, dass Kobras eine schmackhafte Mahlzeit a b geben.
    Meine Mutter streckt einen weiß behandschuhten Finger aus, um die Schlange zu streicheln. »Was meinst du, Ge m ma ? Möchtest du Kobra essen, nun, wo du sechzehn bist?«
    Mir graut vor dem schlüpfrigen Ding. »Danke, ich gla u be nicht.«
    Der alte, blinde Inder lächelt zahnlos und hält mir die Kobra näher hin. Ich taumle zurück und stoße gegen einen hölzernen Stand voll kleiner Statuen von indischen Got t heiten. Eine der Statuen, eine Frau mit unzähligen Armen und einem furchterregenden G e sicht, fällt zu Boden. Kali, die Vernichterin . Vor Kurzem hat mir Mutter vorgewo r fen, ich hätte mir diese Göttin zu meiner persönlichen Schut z patronin erwählt. Mutter und ich kommen in letzter Zeit nicht besonders gut miteinander aus. Sie behauptet, das liege daran, dass ich ge r ade in einem unmöglichen A l ter sei. Ich erkläre jedem, der es hören will, es li e ge einzig und allein daran, dass sie sich weigert, mich nach London zu schicken.
    »Ich habe gehört, in London muss man seinen Mahlze i ten nicht zuerst die Zähne ziehen«, sage ich. Wir lassen den Mann mit der Kobra ste hen und tauchen in die Mensche n menge ein, die sich auf dem Marktplatz von Bombay drängt. Mutter antwortet nicht, scheucht stattdessen einen Drehorgelspieler mit seinem Affchen fort. Es ist unerträ g lich heiß. Unter meinem Baumwollkleid mit den Reifr ö cken rinnt mir der Schweiß in Strömen am Körper hinab. Die Fliegen –meine glühendsten Verehrer –schwirren um mein Gesicht. Ich schlage nach einem der geflügelten kle i nen Biester, aber es entwischt mir und ich könnte fast schwören, dass ich höre, wie es mich au s lacht. Mein Elend nimmt epidemische Ausmaße an.
    Über uns ballen sich dicke, dunkle Wolken zusammen, ein warnendes Zeichen, dass wir uns in der Monsunzeit befinden, wo von einer Minute zur nächsten Regenfluten vom Himmel stürzen können. Der staubige Basar summt von den Stimmen der Männer mit ihren Turbanen, sie schnattern und rufen und feilschen und strecken uns mit braunen, sonnenverbrannten Händen Seidenstoffe in leuc h tenden Farben entgegen. Überall sind Karren, behängt mit Strohkörben, in denen alle möglichen Waren und essbaren Dinge zum Kauf angeboten werden –zierliche Kupferv a sen, geschnitzte Holzkästchen mit verschlungenen Bl u menmustern und in der Hitze reife n de Mangos.
    »Wie weit ist es denn noch zum neuen Haus von Mrs Talbot? Können wir nicht einen Wagen ne h men?«, frage ich mit, wie ich hoffe, merklicher Ver d rossenheit.
    »Es ist ein schöner Tag für einen Spaziergang. Und ich wäre dir dankbar, wenn du einen höflicheren Ton a n schlägst.«
    Meine Verdrossenheit wurde sehr wohl bemerkt.
    Sarita, unsere langjährige Haushälterin, bietet mir in i h rer ledrigen Hand Granatäpfel an. »Memsahib, die sind sehr schmackhaft. Vielleicht bringen wir sie Ihrem Vater mit, ja?«
    Wenn ich eine gute Tochter wäre, würde ich meinem Vater ein paar Granatäpfel mitbringen, würde mich darauf freuen, sein dröhnendes Lachen zu h ö ren, während er die saftige rote Frucht aufschneidet und dann, wie ein richtiger britischer Gentleman, die winzigen Samen mit einem Si l berlöffel isst.
    »Er wird nur seinen weißen Anzug bekleckern«, bru m me ich. Meine Mutter öffnet den Mund, um etwas zu erw i dern, besinnt sich eines Besseren und seufzt –wie üblich. Wir haben immer alles zusa m men gemacht, meine Mutter und ich –alte Tempel besichtigt, die Bräuche der Gegend kennengelernt, Hindufeste besucht. Und wir sind oft bis tief in die Nacht aufgeblieben, um die im Kerzenlicht e r strahlenden Straßen zu sehen. Jetzt nimmt sie mich kaum noch zu gesellschaftlichen Anlässen mit. Es ist, als wäre ich eine Aussätzige.
    »Er wird seinen Anzug bekleckern. Das tut er i m mer«, murmle ich zu meiner Verteidigung, obwohl mir niemand Beachtung schenkt außer dem Dreho r gelspieler und seinem Äffchen. Sie folgen mir auf Schritt und Tritt in der Hof f nung, für ihre Darbietu n gen etwas Geld zu bekommen. Der hohe Spitzenkr a gen meines Kleides ist schweißgetränkt. Ich sehne mich nach dem kühlen, saftigen Grün En g lands, das ich nur aus den

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