Ackermann tanzt
geworden. Im Klartext bedeutete das nichts anderes, als zahllose Fortbildungen, sinnlose Besprechungen und schwachsinnige Dokumentationen. Dann der Umzug ins neue Präsidium an der Kanalstraße – auch so ein Vorzeige-Objekt: Polizeiinspektion Nord. Sogar im Internet waren sie jetzt. Na toll!
Und wie sah der Alltag aus? Der war doch wohl beim besten Willen nicht vorzeigbar. Von simpler Organisation hatte die Chefin offensichtlich keinen Schimmer, sonst hätte sie so einen Murks nicht gemacht. Wie sollte er denn wohl vier Wochen lang den Laden allein am laufen halten?
Gut, Walter war auch noch da, aber dessen Anwesenheit war in letzter Zeit eine rein körperliche.
Innerlich hatte Walter Heinrichs das Handtuch geworfen. Die Umstrukturierung, die ganzen Veränderungen waren ihm in seinem Alter zu viel geworden, er hatte keine Lust gehabt, sich noch einmal umzustellen. Vielleicht schaffte er es auch gesundheitlich nicht mehr, obwohl er das niemals zugeben würde. Jedenfalls würde er im Oktober in Frührente gehen. Seitdem das klar war, riss er sich kein Bein mehr aus, tat allerhöchstens Dienst nach Vorschrift. Das war schon seltsam – Walter hatte seinen Beruf immer geliebt.
Im Moment war es vor allen Dingen ärgerlich.
Und jetzt hatte die Alte auch noch Helmut nach Amerika geschickt!
Van Appeldorn lachte laut auf.
Das war wirklich der größte Witz. Helmut Toppe, sein langjähriger Weggefährte und Chef des alten K 1, hatte sich anfangs am allermeisten gegen die Meinhardschen Neuerungen gesträubt und jetzt gondelte er durch die Weltgeschichte und hielt Vorträge über »Technologie und Erfahrung – eine unabdingbare Kombination« und – wie war das noch? – »Police Forces in Rural Areas – Concepts for an Installation of Efficient Structures«. Drei Wochen hatte er an dem Titel geknobelt! Ein paar Seminare würde er bei der Gelegenheit in Übersee auch noch besuchen.
Dass Helmut mit über fünfzig die Kurve noch so gründlich gekriegt hatte!
Na ja, dachte van Appeldorn ein wenig versöhnlicher, der hatte wohl keine andere Wahl gehabt. Jetzt, wo er noch einmal Vater geworden war, würde er noch viele Jahre malochen müssen, ohne aufzumucken.
Damit war van Appeldorn bei der dritten Person angelangt, die eigentlich zum »Team« gehörte und nicht anwesend war: die schöne, reizvolle und viel zu selbstbewusste Astrid, die sich plötzlich dazu berufen gefühlt hatte, Mutter zu werden.
Dass Helmut sich darauf eingelassen hatte!
Norbert van Appeldorn schauderte bei der Vorstellung, noch einmal mit einem Kind bei Null anfangen zu müssen.
Sicher, die kleine Katharina war süß, aber das waren sie alle in dem Alter. Waren seine Töchter auch gewesen. Und heute? Nora war mit ihren sieben Jahren eine despotische Nervensäge und Anna schien sich in einer Art Dauerpubertät zu befinden und brachte ihn mit ihrer aufsässigen Bockigkeit tagtäglich zur Weißglut.
Meine Güte, wenn Katharina volljährig wurde, war Toppe schon siebzig!
Nicht sein Problem, Gott sei Dank.
Van Appeldorn drückte die Zigarette aus und zündete sich gleich eine neue an. Wie auch immer, Astrid Steendijk würde bis Januar im Erziehungsurlaub sein. Womit er wieder beim Anfang war: Ohne ihn würde in den nächsten Wochen überhaupt nichts laufen.
Zeit, der Chefin mal ein paar Takte dazu zu sagen.
2
Der Raum, den van Appeldorn sich mit Walter Heinrichs teilte, war, wie alle Büros im neuen Präsidium, viel zu klein. Wenn mehr als vier Leute im Zimmer waren, konnte man die Tür nicht mehr schließen. Schicke Möbel hatte man ihnen zugedacht, sogar vernünftige Schreibtischstühle, nur bei den Computern hatte man gespart. Es waren Auslaufmodelle – vermutlich ein besonders günstiger Sonderposten –, unendlich langsam und mit einem so kleinen Arbeitsspeicher ausgestattet, dass einem die Dinger ständig abstürzten und wichtige Daten verloren gingen. Das Verrückteste jedoch war, dass zu den beiden Arbeitsplätzen nur ein einziger Bildschirm gehörte. Wenn einer im Büro gerade am PC arbeitete, drehte der andere Däumchen oder durfte seine Sachen in eine der vorsintflutlichen Schreibmaschinen hacken, die man in letzter Minute noch schnell aus dem alten Präsidium geborgen hatte.
Heinrichs war, wie immer in letzter Zeit, glänzend gelaunt. Er hatte gerade aus der Teeküche eine Kanne Kaffee geholt und hielt van Appeldorn einen dampfenden Becher hin.
»Guten Morgen! Kaffee ist schon fertig.«
»Morgen«, muffelte van Appeldorn, nahm
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