Ada liebt
liebe.
Ich erschrak, denn in der Stille der
Küche und der Finsternis von Bos Nacht kamen mir meine Worte ungewöhnlich laut
vor. Ich schlug mir die Hand vor den Mund und flüsterte in meine Handfläche,
ich liebe dich ungeheuerlich, und ich fühlte in mich hinein, und das Blut
rauschte und mein Atem ging und irgendwo hinter allen Worten war Bo.
31
Die Wochen in der Stadt
schleppten sich zäh und träge dahin. Es war Winter geworden und ich hatte
Professor Röslein die Unmöglichkeit meiner Arbeit vorgetragen. Ich hatte seit
Wochen hinter meinem Schreibtisch gesessen und die Schweine über den Monitor
laufen lassen und die Kühe brüllten laut durch unser Arbeitszimmer, aber es
passierte nichts.
Ich hatte Wolff angeschrien, mitten in
seiner lethargischen Gleichgültigkeit, du bist kein Mensch, hatte ich
geschrien, was bist du, und Wolff hatte nicht einmal den Kopf gehoben. Ich
wollte, dass es irgendwie voranging, wohin auch immer, aber hier bewegte sich
nichts.
Als ich sein Zimmer betrat, hatte
Professor Röslein hinter seinem Schreibtisch gesessen und wahllos Zettel in
Bücher gesteckt, diese dann weggelegt, wieder aufgenommen und die Zettel
zwischen andere Seiten geheftet. Der Geruch von Minze und verbrauchter Luft war
mir entgegengeschlagen, nach getragener Kleidung, nach Alter und
Vergänglichkeit.
Blattlose Ungeheuer schlugen gegen
seine Scheibe und er bemerkte es nicht, vielleicht hatte er noch nicht einmal
gesehen, dass der Herbst aus dem Sommer den Winter gemacht hatte. Herr
Professor, hatte ich gesagt, meine Arbeit, meine Thesen, es stimmt nichts mehr.
Ich kann sie so nicht weiterschreiben. Hinter mir fiel die Tür mit einem leisen
Klicken ins Schloss. Als er mich registrierte, lehnte er sich zurück und sagte,
Ada, Sie sind es, schön, dann machen Sie eben anders weiter.
Es geht nicht einfach so anders, sagte
ich, die Frauen aus England haben ihre Felder verlassen, weil sie sich
sattgesehen haben an dem ewigen Grün. Sie haben ihren Schritt verlangsamt und
sich Flügel wachsen lassen. Flügel, fragte Professor Röslein und guckte
betroffen. Ja, antwortete ich. Wie ins All geschossen, haben sie ihre Suche
fortgesetzt, und weil ihnen auch das nicht genügt hat, ist ihr Dahingleiten zu
einem hektischen Flügelschlagen geworden. Bis heute haben sie die Felder nicht
mehr gefunden und niemand kommt, um sie ihnen zu zeigen, weil es nur noch
wenige Menschen gibt, die sie sehen können. Meine Stimme war laut geworden und
Professor Röslein sagte, Ada, aber ich ließ ihn nicht weiterreden, ich musste
ihm alles sagen, die ganze Wahrheit. Selbst wenn ihnen jemand die Hand reicht,
jemand mit Erde unter den Schuhen, erkennen sie ihn nicht. Sie lachen ihn aus
und sagen, ich geh weg von dir, weil du Schweine hast.
Schweine, sagte Professor Röslein,
aber er hatte es nicht verstanden. Machen Sie weiter, sagte er, senkte den Kopf
in ein Buch, das er schon mehrfach verzettelt hatte, und da wusste ich, dass
das Gespräch beendet war.
Ich blieb noch einen Moment stehen,
mitten in seinem Zimmer, in seinem Durcheinander, sah auf ihn nieder, wie er da
saß, zerfurcht und farblos, er sah müde aus. Die Bewegungen seiner Hände waren
fahrig und er schien nicht zu bemerken, dass ich noch da war. Leise verließ ich
den Raum und kochte ihm einen Kaffee.
Irgendwann würde Wolff so dort sitzen
und mein Weg führte in die gleiche Richtung, und es stieg ein Gefühl in mir
hoch, das ich nicht kannte, ein kurzer Stillstand, ein Schwindel, und als ich
Professor Röslein den Kaffee auf den Tisch stellte, erkannte ich, was es war.
Es war eine Leere, ein gefühltes
Nichts, das sich durch den Moment fraß und das aus Momenten Tage machen würde
und irgendwann mein Leben bestimmen sollte, und ich ging zu Wolff und zog den
Stecker aus meinem PC. Augenblicklich hörten die Kühe auf zu schreien und in
der gewohnten Stille warf ich meine Bücher in einen Karton und entfernte mit
einem Messer mein Namensschild von unserer Tür.
Als ich das Gebäude verließ und mir
die schneidende Winterluft entgegenwehte, fühlte ich mich leicht und frei, ich
würde mir etwas anderes suchen, was, wusste ich nicht, und es machte nichts.
Ich drehte mich noch einmal um und sah hoch zu dem Fenster, hinter dem ich so
viele Stunden gesessen hatte, und es war, als winkten mir blasse
Porzellangesichter zu und für einen Moment färbte der kalte Wind ihre Wangen
rot.
Ich hob meine Hand und verabschiedete
mich leise von ihnen und sie verschwanden in der Stille
Weitere Kostenlose Bücher