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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Balschun
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hinter der Scheibe und
ließen mich ohne ein Wort gehen.
    Ich beschleunigte meinen Schritt und
hielt vor einer Telefonzelle. Ich wählte Bos Nummer und ich war fest
entschlossen, es ihm heute zu sagen. Als ich seine Stimme hörte, wurde der
Winter warm und die Wärme hatte alle Wörter verschluckt und wieder stand ich
still und schwieg in den Hörer. Über der Telefonzelle setzte sich ein schwarzer
Vogel in den Baum, er riss den Schnabel auf und ein schneidender Laut zerriss
den Winterhimmel. Die Wolken verhedderten sich in der schweren Luft und mir
fielen alle Wörter durcheinander.
    Arbeitest du nicht, fragte Bo. Nein,
sagte ich, es hat keinen Sinn. Ich habe sie hinter mir gelassen, die Frauen aus
England. Bo lachte leise und dann wurde seine Stimme ernst und er sagte, Ada,
bist du jetzt im Leben angekommen?
    Ja, sagte ich und ich sagte, Bo, ich
finde meine Worte nicht, und Bo wartete geduldig in mein Schweigen. Als das
Rauschen im Telefon lauter wurde, weil das Nichts zwischen uns sich aufzublähen
begann, sagte Bo, ich komme zu dir, Ada. Elisabet kommt gut alleine klar und
ich hole dich ab aus deiner Welt ohne Bäume, und dann setze ich dich in den
Mist und der färbt dir die Wangen rot und mit dem Wind werden die Worte schon
wiederkommen.
    Ich schwieg und überlegte, ob es das
war, was ich wollte. Es ging nicht ohne Bo und es ging auch nicht mit Bo, aber
es ging irgendwie in Richtung Bo und ich wusste nicht, wo es zu Ende war, und
wann es angefangen hatte und was es war, wusste ich eigentlich auch nicht. Bo
erwartete jetzt etwas von mir, eine Entscheidung, ein Wort. Später, dachte ich.
Später würde ich es ihm erklären, später würde mir sicher etwas einfallen,
später, nur jetzt nicht und ich sagte zu Bo, es ist jetzt noch zu früh, und Bo
sagte, nein Ada, jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt.
    Bo wollte herkommen und ich sagte, wir
reden, wenn du da bist, und vielleicht komme ich mit zurück. Und dann, fragte
Bo und ich sagte, ich weiß nicht, und am anderen Ende war es still geworden.
    Du bist seltsam, Ada, aber ich liebe
dich, sagte Bo jetzt. Ich hielt den Hörer in der Hand und mein Nacken wurde
heiß. Gehen wir auf den Friedhof am Sonntag, fragte ich und Bo schwieg. Bo,
sagte ich und er räusperte sich. Ich habe dir etwas sehr Wichtiges gesagt, Ada,
und du musst etwas dazu sagen, sagte Bo.
    Was soll ich sagen, fragte ich. Ich
hatte so viele Wörter, ich liebte die Sprache, ich hatte sie studiert und nun
half sie mir nicht, gab mir keine passenden Worte, nur ein Krächzen, etwas
Vorsprachliches, nichts, das Bo verstand, nichts, das es mir selber erklärte.
Bo, sagte ich, was soll ich dir sagen. Liebst du mich, sagte Bo, ich muss es
wissen.
    Ich schwitzte und der Hörer rutschte
in meiner Hand. Ich dachte nach und ich wusste, dass dies der Moment war, und
ich sagte, Bo, das ist der Moment, oder? Bo sagte, ja, und mein Nacken brannte.
Ist es so schwer, fragte Bo. Nein, dachte ich, aber das ist keine Antwort,
keine, die du hören möchtest. Was ist eine Antwort? Bo, hämmerte es in meinem
Kopf. Was sollte ich ihm sagen?
    Ich dachte an sein verschwitztes Haar
und seine blitzenden Augen und an die Wollsocken auf dem Wohnzimmertisch und an
Bo, der aus dem Stall kam mit hochgekrempelten Ärmeln und Schmutz im Gesicht.
Ich sah ihn vor mir, wie er mit seiner Nase im Weinglas jede einzelne Traube
würdigte, bevor er trank, und wie er Siegfried zärtlich über den Kopf strich.
Es waren kleine perfekte Momente. Momente, die keiner Worte bedurften, doch
jetzt brauchte ich sie und fand keine. Bo, flüsterte ich.
    Ich dachte an seine Küche, die nach
Schwein roch, und an seinen messerscharfen Verstand, und ich dachte an Bo, wie
er neben mir in der Oper saß, die sonst wilden Haare ordentlich gescheitelt,
meine Hand nahm und die Musik plötzlich vielfarbig wurde. Mir fiel meine Mutter
ein, die mich fragte, kocht dein Blut, Ada, kannst du es fühlen, und ich fühlte
in mich hinein und damals sah ich es nicht, weil ich es nicht kannte, aber
jetzt war es da, eine Atemnot, ein Wortstillstand und ein großer Schmerz, und
ich flüsterte, ich liebe dich, Bo, in das Knacken am anderen Ende der Leitung,
und das Schweigen stimmte unser Ende an wie eine Fanfare. Ich wusste nicht, was
es bedeutete.
    Später auf dem Bahnhof hatte ich es
verstanden, erst bei dem vierten Zug, der Bo nicht brachte. Ich wartete drei
Stunden auf Bo. Nachdem er nicht aus dem ersten Zug ausgestiegen war, wusste
ich, dass er nicht kommen würde. Trotzdem

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