Ada liebt
wartete ich. Züge rauschten an mir
vorbei und Gesichter verschwammen in ihnen zu einem trostlosen Pastellgemisch.
Der Wind fegte eisig über den Bahnsteig. Der Himmel war grau und trieb träge
Wolken vor sich her.
Die Türen öffneten sich und spuckten
hastige Menschen aus. Eine Frau schleppte vier Plastiktüten und zog ein Bein
nach, sie ächzte unter dem Gewicht ihres Gepäcks. Ein Mann stand neben ihr und
drängelte, los jetzt, sagte er. Er zog eine Zigarette aus der Manteltasche,
steckte sie an und blies ihr den Rauch ins Gesicht. Sie blickte auf ihre Tüten
und ging langsam weiter. Kann ich helfen, fragte ich und sie sah auf, was fällt
Ihnen ein, sagte sie.
Zwei Kinder jagten einander um den
Fahrkartenautomaten und die Mutter versuchte, sie zu beruhigen. Bleibt stehen,
rief sie und die Kinder rannten kreischend noch schneller. Ein Pärchen umarmte
sich und er küsste sie lange mit geschlossenen Augen, sie sah an seinem Kopf
vorbei zu den Leuten und ihr Gesicht war rot. Lass, sagte sie und er weinte.
Ein Obdachloser wühlte in den
Mülltonnen und sammelte Zigarettenstummel vom Bahnsteig, ein junges Mädchen
warf eine Zigarette vor seine Füße und klebte einen Kaugummi an die Wand. Sie
schmiss ihre Haare nach hinten. Er bückte sich, seine Hände waren schwarz. Das
Mädchen sah in eine andere Richtung, die Wolken hingen tief.
Bo kam nicht. Nach drei Stunden stand
ich auf und verließ den Bahnhof. Ich ging nicht nach Hause, denn dort wartete
alles auf Bo, auch die Wände. Ich lief los und die Stadt, in der ich viele
Jahre gelebt hatte, kam mir fremd vor. Die Kirchen, die Häuser, die grauen
Straßen mit ihren kreischenden Straßenbahnen, die vielen Menschen, der ölige
Geruch, fremd, alles noch nie da gewesen. Das Prasseln des Regens verschluckte
meine Schritte und die Menschen verschwammen in der Kälte zu konturlosen
Nichtigkeiten. Wo bist du, flüsterte ich in die Dunkelheit.
Er hat Schweine, hatte mein Vater
gesagt und ich dachte darüber nach, was ich hatte. Ich dachte, es wären die
Wörter gewesen, aber die hatte ich nicht, nicht einmal genug, um es Bo zu sagen.
Sie hat es im Kopf, hatte mein Vater gesagt, nicht in den Beinen, und nun
rannte ich durch die Stadt, weil ich es auch nicht im Kopf hatte, und meine
Beine trugen mich weit und als es hell wurde, stand ich still und rief meinen
Vater an.
Er ist weg, sagte ich in die
Telefonzelle hinein, meine Stimme war mir fremd, und mein Vater sagte, wer, und
ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, denn es waren wieder die Wörter gewesen,
die nicht bei mir waren, und das hatte noch nie jemand verstanden, nur Bo, und der
hatte die Liebe mitgenommen.
32
Landschaften rauschten an
mir vorüber, kahlbäumig und grau, und mit jedem Blick durch die schmutzige
Scheibe fiel meine Sprachlosigkeit ab von mir und ich ließ mein altes Leben
zurück und war fest entschlossen, es Bo zu sagen.
Ich liebe dich, Bo, so schwer war es doch gar nicht, er hatte mir das Sprechen beigebracht, mir Worte gegeben, und
jetzt fuhr ich zu ihm, um sie ihm zurückzugeben. Sein Gesicht stand vor mir und
sah mich an und ich lächelte in den leeren Waggon und streckte meine Hand in
die Luft und berührte sein Gesicht.
Reisende liefen durch die Wagen und
sie sahen anders aus an diesem Tag, glücklicher, und ihre Gesichter waren rot
von der Kälte. Der Frost hatte die Bäume grau gefärbt und der Himmel hing tief
in die Landschaften hinein, von denen nicht viel übrig blieb in dem spärlichen
Licht dieses melierten Tages.
Ich würde zu Bo gehen und es ihm sagen
und Bo würde es reichen. Mehr konnte ich ihm nicht geben, vielleicht ging das
mit Büchern und Schweinen, aber vielleicht ging das auch nicht. Bo wollte kein
Vielleicht mehr, Bo wollte eine Zukunft, ein Morgen mit mir und ich wusste,
dass ich ihn liebte, aber ich wusste nicht, ob es ein Morgen geben könnte.
Der Zug hielt und die Bremsen
kreischten. Auf dem Bahnsteig standen Menschen, die diesen fiebrigen Ausdruck
von Reisenden hatten, selbst die, die nur auf Ankommende warteten. Sie liefen
durcheinander, schubsten und drängelten und ein Mann zog mit einem lauten
Rattern seinen Koffer hinter sich her. Ein Eiswagen bahnte sich seinen Weg
durch die Menge. Ich fragte mich, wer Eis essen würde bei diesem Wetter, und
schlug meinen Mantelkragen hoch.
Der Wind trieb Kälte und eine alte
Zeitung vor sich her, die herumwirbelte und ihren Flug dann langsam und
schwerfällig fortsetzte. Aus den Lautsprechern schepperten
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