Adairas Erbe
Inzwischen hatten sie ein höflich-distanziertes Miteinander, wenn sie sich begegneten, aber mehr auch nicht.
Wenn sie ehrlich zu sich war, konnte sie nicht behaupten, dass sie ihn soooo vermisste. Sie seufzte, als sie darüber nachdachte.
„Was ist? Schlecht zu Fuß heute Abend?“
„Träum weiter.“
Sie gingen über den Klippenpfad und schauten zum Strand hinunter. Es war schon dunkel, aber es war ein sternenklarer Himmel und Neumond. Als sie sich dem Nordstrand näherten konnten sie die Absperrungen erkennen, die den Pfad zur Tobar Höhle versperrten.
„Denkst du manchmal noch daran?“ fragte Moira unvermittelt.
„Ja, oft.“ sie musste nicht nachfragen, um zu wissen, was genau sie meinte.
„Der Tag, an dem man zum ersten Mal Menschen gewaltsam sterben sieht, bleibt einem wahrscheinlich ins Gedächtnis gebrannt, bis man alt und senil wird.“
„Ja, das glaube ich auch.“
„War es für dich auch das erste Mal?“ Sie konnte gar nicht fassen, dass sie ausgerechnet mit Moira ein persönliches Gespräch führte. Anscheinend war auch Broc überrascht, denn er gab einmal nicht seinen Senf dazu.
„Nein.“ Sie schwieg. Caya dachte schon die Unterhaltung sei zu Ende, als sie unvermittelt weiter sprach.
„Ich habe meine Schwester sterben sehen.“
„Wann? Wer?...“ , fragte sie schockiert.
„Kurz bevor wir in Shanthee anfingen. Die Krieger haben sie umgebracht. Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort, wie es immer so schön heißt. Ein Anschlag auf Wächter , es ging um ein Fae Artefakt. Meine Schwester und ich waren mit dem Hund im Park spazieren, als der Überfall stattfand. Sie wurde durch Feuer magie regelrecht gegrillt. Die offizielle Todesursache war ein Stromkabel, das bei Bauarbeiten im Park freigelegt worden war. Sie war dreizehn.“
„ Das tut mir sehr l eid.“ Caya hätte ihr gerne den Arm um die Schulter gelegt, aber sie befürchtete sich eine einzufangen.
„Das war auch der Grund, warum mein Vater zum Säufer wurde. Meine Mutter ist seit der Zeit nur noch eine Hülle und Dad ertränkt seinen Kummer. Ich habe mich dafür entschieden, jeden Krieger der mir über den Weg läuft, dafür zahlen zu lassen. Deshalb bin ich zu den Wächtern gegangen.“
„Warum kannst du mich eigentlich nicht leiden?“
Moira hielt einen Moment inne.
„Weil du alles das verkörpert hattest, was ich nicht mehr habe. Ein schönes Zuhause, eine glückliche Familie, eine Perspektive.“
„Nun ja,- das hat sich wohl alles erledigt bei mir. Eigentlich müsstest du mich nun lieben,“ lachte Caya bitter.
„Es tut mir Leid,- die Sache mit deinem Vater.“
Komischerweise kaufte Caya es ihr sogar ab.
„Aber ich kann dich trotzdem nicht leiden.“
„Ich dich auch nicht.“
„Keine schlechte Arbeitsbasis. Eine geregelte Abneigung ist viel besser einschätzbar a ls eine verlogene Freundschaft“, meinte Moira trocken.
„Ich h ätts nicht besser sagen können“, kicherte Broc.
trügerische Ruhe
Der Rest des Sommers zog ohne weitere Vorkommnisse ins Land.
Caya hatte kaum freie Zeit. Ihre Aufgeben als Wächterin nahmen sie reichlich in Beschlag, auch wenn ihre Begeisterung sich, nach wie vor, in Grenzen hielt. Einer der Wächter , der einen Chip trug, David Paidrag, schien ein Auge auf DeeDee geworfen zu haben. Er suchte auffallend oft ihre Gesellschaft und sie schien ihn auch nicht uninteressant zu finden. Diese Entwicklung ging an Finn vorbei, der mit Dackelblick Ainsley hinterher hechelte. Mittlerweile war es anderen auch aufgefallen und Finn wurde allmählich zum Gespött, ohne dass es ihm auffiel.
„Der Trottel macht sich komplett zum Affen und merkt es nicht einmal,“ meinte DeeDee abfällig, als sie beim Abendessen wieder einmal beobachtete, wie er an Ainsleys Lippen hing, als hätte die gerade die Tontafel mit den zehn Geboten beim Strandspaziergang gefunden.
„Der macht sich noch viel mehr zum Affen, als ihr denkt“, warf Evan kryptisch ein. Die beiden Jungs waren ihnen als Tischgesellschaft treu geblieben und zogen ihre Gesellschaft der ihrer Klassenkameraden vor, wie sie immer sagten. Wahrscheinlich lag es eher an den unterhaltsamen Wortgefechten, die sich Broc, Japh und Drusilla lieferten. Jedenfalls war es nie langweilig am Tisch.
So plötzlich wie Eonans Interesse
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