Adam 01 - Die letzte Chance der Menschheit
Spinnen fern, andererseits wurden sie jedoch auch nicht in Panik versetzt.
Es klingelte an der Haustür. Im Flur begegnete er seiner Tante im Morgenmantel. »Ich gehe schon«, rief er ihr zu.
Vor der Tür stand Shawi. Sie trug eine verwaschene Jeans und eine schwarze Lederjacke. Adam hatte den Eindruck, dass sie ihre kurzen schwarzen Locken in der letzten Zeit wachsen ließ.
Auf der Straße wartete ein unauffälliger VW Golf mit einem Fahrer.
»Hallo«, sagte sie. »Wir sollen ins Innenministerium kommen.«
Tante Vanessa war hinter Adam die Treppe hinuntergekommen.
»Oh!«, machte sie und schüttelte Shawi die Hand. »Bist du eine Freundin von meinem Neffen?«
Shawi verzog keine Miene. »Eine Kollegin.«
Adam holte eine Jacke und seine Dienstwaffe, die er nun, auch wenn er nicht im Dienst war, behalten durfte.
»Die Innenministerin Masuku legt wohl Wert auf junge Mitarbeiter«, meinte Tante Vanessa. »Das ist eine gute Einstellung.«
Ehe Adam das Haus verlassen konnte, zupfte sie seinen Hemdkragen gerade und steckte ihm einen Apfel zu. »Du hast doch noch gar nicht gefrühstückt.«
Shawi lächelte schief.
***
Im Innenministerium wurden sie von Virginia Zimunga erwartet.
»Ich möchte euch zuerst etwas zeigen«, sagte sie. »Etwas Erfreuliches.«
Sie führte die beiden zu einem Raum, dessen Wand zum Flur komplett aus Glas bestand. Er war hell erleuchtet, und seine Einrichtung bildete einen Kontrast zur Nüchternheit des sonstigen Gebäudes. Die Möbel waren in bunten Farben gestrichen. Es gab Unmengen von Spielzeug, und von den Wänden lachten Figuren, die Adam schon längst vergessen hatte: die Manga- und Fernsehhelden seiner Kindheit. Im Raum tollten unter der Aufsicht mehrerer Frauen kleine Mädchen und Jungen umher.
»Ein Hort für die Jüngsten unserer Mitarbeiter«, erklärte Virginia Zimunga.
Die Fröhlichkeit an diesem Ort war nach all den Erlebnissen der vergangenen Zeit eine willkommene Abwechslung für Adam. Ihm fielen die Worte der Innenministerin ein: Das Wichtigste ist es, die Zukunft der Kinder zu sichern.
Selbst Shawi wirkte zwischen den spielenden und lachenden Kindern gelöster als sonst und kickte einem Jungen sogar einen Ball zu.
Dennoch fragte sich Adam, was sie hier sollten. Diente dieser Abstecher der Motivation für ihre Arbeit?
Virginia Zimunga kniete sich neben ein dunkelhäutiges Mädchen, das verträumt eine Puppe in ihren Armen wiegte.
»Ich kenne sie!«, rief Adam. Es war das Mädchen aus der U-Bahn von Harare, das er im letzten Moment vor den angreifenden Parasiten gerettet hatte.
»Oh, mein Gott!« Er setzte sich neben Virginia Zimunga auf den weichen Teppich und wusste nicht, was er sagen sollte. Er konnte die Kleine nur ansehen. Sie machte einen etwas scheuen Eindruck, lächelte nicht und presste die Puppe noch fester an sich. Aber als die Zauberin dem Mädchen übers Haar strich, schloss es kurz die Augen und drückte den Kopf fest gegen Virginia Zimungas Hand.
»Es geht ihr gut«, sagte die Zauberin. »Sie ist von selbst aufgewacht. Einfach so.«
Adam öffnete den Mund, aber die Frau ahnte seine Frage voraus. »Keine Parasiten. Keinerlei Nachwirkungen. Bis auf einen Gedächtnisverlust«, sagte sie leise. »Sie wird bei uns bleiben, aber sie weiß nicht, wie sie heißt oder wer ihre Eltern sind. Daher hielt ich es für eine gute Idee, wenn du ihr einen Namen gibst.«
»Johanna«, sagte er ohne zu überlegen.
»So hieß deine Mutter, nicht wahr?«, fragte Virginia Zimunga.
Adam konnte nur nicken. Da war ein riesiger Kloß in seinem Hals. Hastig stand er auf. Er wollte nicht vor den Kindern und erst recht nicht vor diesem Mädchen weinen, denn er spürte, dass er die Tränen nur mit Mühe zurückhalten konnte.
Auf dem Flur atmete er tief durch und musste sich einige Male über die Augen wischen.
Shawi kam aus dem Kinderhort, zögerte kurz und sagte dann: »Das ist ein guter Name für das Mädchen.«
***
Der Konferenzraum war fensterlos. Neonröhren tauchten ihn in kaltes Licht. Ministerin Masuku wurde von zwei Männern begleitet: Dr. Vajpayee und ihrem Berater Henri Dannerup. Der beleibte Mann erkannte Adam sofort wieder und winkte ihm zu.
Adam saß mit Shawi und Virginia Zimunga in der ersten Sitzreihe. Außer ihnen waren noch mehrere Männer und Frauen anwesend, die Adam noch nie zuvor gesehen hatte. Wenigstens zwei von ihnen, ein kleiner, drahtiger Schwarzer und eine uralte Asiatin mit einem übergroßen Strohhut, sahen für Adam so aus,
Weitere Kostenlose Bücher