Adam - Die letzte Chance der Menschheit: Band 1 (German Edition)
Dienstantritt auf dem Revier anlegen durften. Allein und in Uniform wären sie auf der Straße möglicherweise angegriffen worden.
Im Polizeirevier besaß jeder Schüler einen eigenen verschließbaren Spind. Darin befanden sich Uniform, Waffe und ein vorläufiger Dienstausweis.
Als Adam das Pistolenholster angelegt hatte, warf er einen schnellen Blick in den Spiegel im Umkleideraum und schob die dunkelblaue Schirmmütze gerade.
Vor dem Revier standen zwei altersschwache Lastwagen. Polizisten mit Gewehren stiegen in den vorderen ein. Sergeant Lakota stand mit einem Schreibblock neben dem Fahrerhaus und machte sich Notizen. Als er die Polizeischüler entdeckte, kam er mit schnellen Schritten auf sie zu.
»Die Innenministerin besucht heute das neue Waisenhaus im Distrikt 6. Ihr werdet dort zur zusätzlichen Überwachung eingesetzt. Alles Weitere erfahrt ihr von mir vor Ort.«
Adam stieg die zwei angeschweißten Stufen hinauf und setzte sich auf die hölzerne Bank neben Delani.
»Wir als die Beschützer der Innenministerin. Das ist ja mal eine Sache«, sagte sein Freund. »Ob uns Masuku die Hand schüttelt?«
Yera schob sich, rücksichtslos wie immer, an ihnen vorbei und ließ sich auf die Bank fallen. Er seufzte und schloss die Augen.
Der Anlasser des Lastwagens gab ein gereiztes Wimmern von sich, bis der minderwertige Diesel endlich zündete und der Motor ansprang.
Adam öffnete vorsichtshalber den Mund. Der Lastwagen vibrierte im Stand so heftig, dass die Zähne aufeinanderschlugen.
Mit einem Ruck setzte sich das Fahrzeug in Bewegung.
Shawi und ihre Freundin Nia gehörten ebenfalls zu den Auserwählten. Sie saßen Adam direkt gegenüber und tuschelten miteinander.
Nach einiger Zeit kam der Lastwagen nur noch im Schritttempo vorwärts. Der Fahrer drückte immer wieder auf die Hupe, um sich in dem Menschengewirr freie Bahn zu schaffen. Da nur selten ein Kraftfahrzeug unterwegs war, machten die Leute keinen Unterschied zwischen Bürgersteig und Fahrbahn.
Yera schien der Lärm nichts auszumachen. Sein Kopf war auf die Brust gesunken, und er schnarchte laut.
Über die Ladefläche des Lastwagens war eine Plane gespannt, aber sie war so alt und zerschlissen, dass man durch ihre zahllosen Risse und Löcher nach draußen spähen konnte.
In den späten Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts hatte die damalige rassistische Regierung die überwiegend schwarzen Bewohner dieses Stadtteils vertrieben und deren Häuser abgerissen. Über Jahrzehnte war Distrikt 6 unbewohntes Brachland gewesen, doch längst war auch dieses Gebiet den Flüchtlingen zugeteilt worden. Man hatte Wohncontainer aufgestellt. Anfangs sollten sie nicht mehr als eine Übergangslösung sein, aber mittlerweile boten sie der immer unüberschaubarer werdenden Menschenmenge eine dauerhafte Bleibe.
Auch wenn die Grenzbefestigungen den Strom der Flüchtlinge aus dem Norden eingedämmt hatten, trieb es die einheimische Bevölkerung immer mehr in die großen Städte wie Kapstadt.
Adam fand, dass es im Distrikt 6 ein wenig geordneter als in Gugulethu aussah. Es gab keine Verkaufsstände, keine Müllberge, und nur vereinzelt entdeckte er einen Bettler.
Delani beugte sich nach vorn zu Shawi. »Hör mal, ich will dich schon die ganze Zeit etwas fragen«, sagte er.
Sie blickte ihn mit kaum verhohlener Verachtung an. Delani schien das überhaupt nicht zu irritieren. Er deutete mit dem Finger zuerst auf sich, dann auf Adam und den schnarchenden Yera.
»Kannst du jetzt unsere Gefühle lesen? So auf Kommando?«, fragte Delani.
Shawi pustete sich eine schwarze Haarsträhne aus der Stirn. »Sicher«, erwiderte sie. »Aber es lohnt sich bei euch nicht.«
»Aha«, machte Delani und wollte zu einer weiteren Frage ansetzen, als der Lastwagen mit quietschenden Bremsen zum Stehen kam. Yera kippte zur Seite und hätte seinen Nebenmann beinahe von der Sitzbank gestoßen.
»Häh?« Yera war für einen Moment völlig desorientiert. Wenn es nicht gerade um eine Prügelei ging, reagierte er mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte.
»Wir sind da«, sagte Adam und stand auf.
Das vor wenigen Monaten erbaute Waisenhaus erhob sich dreistöckig in einem reinen und unschuldigen Weiß. Es war ein Symbol für die Bemühungen der Regierung, dem Chaos ein wenig Sicherheit und Fürsorge abzuringen.
An einem Fahnenmast flatterte die Flagge Südafrikas im Wind. Auf einem eigens für diesen Tag errichteten Holzpodest standen zwei Dutzend Jungen und Mädchen in blitzsauberen
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