Adelshochzeit 2
haftete noch auf seiner Kleidung, aber sein Körper befand sich nach wie vor in Aufruhr. Die Sehnsucht nach ihr war fast schmerzhaft, und mit einer unterdrückten Verwünschung beugte Jason sich vor und vergrub das Gesicht in den Händen.
Er hatte sie schon vor einer Weile aufsuchen wollen und dann doch gezögert, ohne sich über die Gründe im Klaren zu sein. Nun wurde ihm bewusst, dass er seine eigene Entscheidung über die Rolle, die Helen in seinem Leben spielen sollte, nie wirklich gebilligt hatte. Insgeheim war er wohl eher geneigt gewesen, sie zu bitten, seine Frau zu werden. Und jetzt fragte er sich, ob er es bedauern sollte oder nicht, dass er ihrem Vorschlag nicht mit einem Antrag zuvorgekommen war.
Vor kaum einer Stunde hatte sie ihm klargemacht, dass sie es vorzog, seine Mätresse zu werden. Helen wollte keine zweite Ehe eingehen, weil sie ihren verstorbenen Gatten noch immer liebte, aber sie war bereit, das Bett mit Jason zu teilen. Und nicht nur das, sie glaubte auch, kein Recht zu haben, sich in sein Leben einzumischen. Ihre einzige Forderung bestand darin, dass er sie lange genug behielt, bis sie sich das Recht auf die Besitzurkunde ihres Zuhauses und eine bescheidene Summe zum Überleben verdient hatte. Und für den Fall, dass sie ihn nicht von ihrer Bereitschaft überzeugen könnte, sich so weit zu erniedrigen, hatte sie auch noch versucht, die Ruchlose zu spielen.
Und sie hatte gewonnen. Obwohl er wusste, dass sie nur tat, was – wie sie glaubte – von ihr verlangt wurde, hatte sie ihn mit ihrer schüchternen Verführung verzaubert.
Jason seufzte und sah zum bewölkten Himmel hinauf. Wahrscheinlich machte ihm sein schlechtes Gewissen zu schaffen – oder vielleicht auch sein Stolz. Er kannte junge Damen aus untadeligen und meist wohlhabenden Familien, die entzückt wären, wenn er ihnen die Ehe anbieten würde. Eine völlig mittellose Witwe dagegen zog es vor, ihn zum Geliebten zu nehmen statt zum Gatten. Würde sie ihn begehren wie er sie, wäre diese Zurücksetzung leichter zu ertragen gewesen, aber er fürchtete sehr, dass sie die intimen Stunden mit ihm wie eine lästige Pflicht hinter sich zu bringen gedachte.
Sie war aus freien Stücken zu ihm gekommen, um ihren Stolz und eine gewisse Kontrolle über ihr Leben zu behalten. Und obwohl Jason dies alles wusste, wollte er sie trotzdem haben. Eine innere Stimme beruhigte ihn, dass er sie schon dahin bringen würde, Lust in seinen Armen zu empfinden. Warum sollte er sich also darum kümmern, was danach geschah?
11. KAPITEL
„Er ist wirklich schön, Charlotte.“ Mit dem Daumen strich Helen über den Rubinring, der den Finger ihrer Schwester schmückte.
„Philip hat mich gerade eben auf die Terrasse geführt, damit wir allein sein konnten, und ihn mir aufgesteckt.“ Charlottes Augen leuchteten vor Glück. „Es reichte mir schon, dass wir ab heute offiziell verlobt sind. Ich hatte keine so wundervolle Überraschung wie diesen herrlichen Ring erwartet.“ Sie streckte die Hand aus, um das Schmuckstück zu bewundern. „Philip hat ihn gekauft, ohne zu wissen, was mir gefallen könnte. Und doch ist er vollkommen. Ich selbst hätte keinen anderen gewählt.“
„Philips Geschmack ist ausgezeichnet, mein Liebling.“ Helen umarmte ihre bewegte Schwester und drückte sie an sich. „Das sieht man allein daran, dass er dich zur Frau erkoren hat.“
Iris Kingston stand an der Seite ihres Mannes und ein wenig abseits von ihren Schwägerinnen, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Langeweile zu verbergen. Aber George hatte darauf bestanden, dass sie beide an Charlottes bescheidener Verlobungsfeier, die im Haus des zukünftigen Bräutigams stattfand, teilnahmen.
Als sie Charlotte die Hand ausstrecken sah, belebte sich ihre Miene. Neugierig kam sie näher, um den Ring zu begutachten, verzog jedoch verächtlich das Gesicht und hob die gezupften Augenbrauen bis unter die blonden Haarfransen, während sie ihn in Augenschein nahm. „Ganz nett. Indes hätte ich natürlich damit gerechnet, dass ein so bedeutungsvolles Liebespfand ein bisschen größer ausfällt.“ Sie hob die Hände und stellte ihre eigenen, sehr protzigen Ringe zur Schau.
Helen musterte ihre boshafte Schwägerin mit einem kühlen Blick. „Andererseits bist du auch nicht so zierlich wie Charlotte. Wenn man kräftige Hände hat, muss man breitere Ringe mit größeren Steinen tragen, sonst wirken die Finger unnötig dick.“ Sie achtete nicht auf Iris’ wütende Miene.
Charlotte
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