Adelshochzeit 2
seiner Geliebten.
Jedes Mal, wenn sie sich mit einem Kuss vor Westlea House getrennt hatten, schlief Helen tief und fest – und das nicht nur, weil sie körperlich befriedigt war wie noch nie in ihrem Leben, sondern weil sie das schöne Gefühl erfüllte, dass sie und Jason nicht nur Liebhaber waren, sondern auch Freunde. Nun erkannte sie, dass sie sich getäuscht hatte.
Sie wusste, dass Bridgeman boshaft war. Dennoch spürte sie, dass er nicht gelogen hatte, was Dianas Rolle in Jasons Leben anging. Ihr Traum von einer gemeinsamen Zukunft entpuppte sich als ein dummes Hirngespinst. Nicht nur schien Jason ohne Diana nicht leben zu können, er schaffte es sogar, seine neue Mätresse in einer Situation, in der sie ihn gebraucht hätte, kühl und herzlos zu behandeln. Jason verhielt sich nicht wie ein Freund, sondern wie ein gleichgültiger Fremder.
Helen kam sich unendlich albern vor, dass sie versucht hatte, ihren treulosen Geliebten zu beschwichtigen, weil es einem ekelhaften Lüstling gelungen war, ihr einen Kuss aufzuzwingen. Sie hatte nichts Falsches getan, und doch nahm Jason das Gegenteil an. Stolz hob sie das Kinn und sah ihm trotzig in die Augen.
Er allerdings lächelte ungerührt und sah über ihre Schulter Bridgeman an. „Es ist mir herzlich gleichgültig, wie Sie Mrs. Marlowe dazu überreden konnten, Sie zu begleiten, Bridgeman. Aber es wäre schön, wenn Sie begreifen würden, dass Sie jetzt entschieden de trop sind“, sagte er mit trügerischer Sanftmut. „Warum verschwinden Sie nicht einfach … solange Sie dazu noch in der Lage sind?“
Das süffisante Grinsen auf Bridgemans Gesicht verschwand abrupt. Jason Hunter gehörte nicht zu den Männern, die leere Drohungen von sich gaben. Er war bekannt dafür, dass er sowohl mit Pistolen als auch dem Degen absolut tödlich sein konnte.
Bridgeman neigte mit einem arroganten Lächeln den Kopf, war allerdings schon dabei, sich gehorsam zurückzuziehen. Nach einer spöttischen Verbeugung in Helens Richtung drehte er sich um und schlenderte davon.
„Soll ich deine Ehre verteidigen? Ich fordere ihn, wenn du es möchtest.“
„Nein“, antwortete sie knapp.
„Bin ich in einem ungünstigen Augenblick erschienen? Wart ihr gerade dabei, eure Vereinbarung mit einem Kuss zu besiegeln? Oder hast du dieses Mal ein Angebot erhalten, statt es selbst zu machen? Ist es das?“
Helen zuckte bei seinem beißenden Spott zusammen, antwortete aber wütend: „Ja.“
„Ja auf beide Fragen?“
„Ich weiß nicht, woher du die Frechheit nimmst, mich auszufragen“, brachte sie mit erstickter Stimme hervor. „Seit wir … seit ich deine Mätresse bin, habe ich nur mit dir das Bett geteilt.“
Jason kam langsam näher und blieb unter einer kleinen Laterne stehen, die ein blasses Licht auf seine Züge warf. „Das freut mich zu hören“, versetzte er gedehnt. „Es würde mich ein wenig verstimmen, zu erfahren, dass ich für das Vergnügen eines anderen Mannes zahle.“
Helen konnte seine gleichgültige Haltung nicht verstehen. Es kam ihr vor, als sähe sie ihn zum ersten Mal, so fremd war er ihr plötzlich.
Er lächelte reuelos. „Entschuldige meine Unverblümtheit, aber wollten wir nicht immer offen zueinander sein?“ Seine Stimme ließ nur einen Hauch von Sarkasmus ahnen. „Ich weiß, dass seine Bedingungen kaum großzügiger sein können als meine. Sag mir also, ob du vorhattest, unsere Beziehung zu beenden und deinen Anspruch auf Westlea House geltend zu machen.“
Helens Herz zog sich schmerzhaft zusammen, und trotzdem rang sie sich zu einer Erwiderung durch. „Da du mir bereits die Rolle der schamlosen Dirne zugeteilt hast, wirst du auch darauf schon eine Antwort haben.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie blinzelte verzweifelt, um sie zu unterdrücken. „Ich werde nicht weinen oder versuchen, mich zu verteidigen“, sagte sie leise. „Ich wollte nicht mit ihm gehen. Und selbstverständlich wollte ich nicht, dass er mich küsst. Du kannst dennoch glauben, was du willst.“ Sie zog ihr Schultertuch enger um sich und beeilte sich, an ihm vorbeizukommen, bevor sie in Tränen ausbrach.
Aber Jason hielt sie mit hartem Griff fest und zog sie an sich. „Ich habe gesehen, dass du bereitwillig Bridgemans Arm nahmst und mit ihm verschwunden bist. Du magst unerfahren sein, meine Liebe, dennoch solltest selbst du wissen, dass Männer eine Frau nicht deswegen zu einem Spaziergang auf den verschwiegenen Wegen der Vauxhall Gardens einladen, um ein
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