Das Muster der Liebe (German Edition)
1. KAPITEL
“A us dem Garn werden die Maschen geformt, durch das Stricken Freundschaften geknüpft, und die Kunst verbindet die Generationen.”
(Karen Alfke, Unpattern-Designerin und Stricklehrerin)
Lydia Hoffman
Als ich den leer stehenden Laden in der Blossom Street zum ersten Mal sah, musste ich an meinen Vater denken. Das kleine Geschäft erinnerte mich an den Fahrradladen, den er besaß, als ich noch ein Kind war. Sogar die großen Schaufenster, die im Schatten einer bunt gestreiften Markise lagen, waren ähnlich. Im Frühling und Sommer hatte rotes Springkraut in den Blumenkübeln vor den Fenstern geblüht, und im Herbst hatte meine Mutter farbenfrohe Chrysanthemen gepflanzt. Ich wollte vor meinem Laden auf jeden Fall auch Blumen pflanzen.
Dads Geschäft war damals immer weiter gewachsen, und er musste bald größere Räumlichkeiten beziehen. Doch nirgendwo fühlte ich mich so zu Hause wie in seinem ersten Laden, der diesem hier in der Blossom Street so ähnelte.
Die Maklerin war sichtlich überrascht. Sie hatte kaum die Tür aufgeschlossen, als ich bereits erklärte: “Ich nehme ihn.”
Mit einem verblüfften Gesichtsausdruck wandte sie sich zu mir um. “Möchten Sie sich nicht erst mal genauer umsehen? Sie wissen, dass ein kleines Apartment über dem Geschäft dazugehört?”
“Ja, das haben Sie bereits erwähnt.” Das war der zweite Punkt, der diesen Laden für mich so interessant machte. Denn mein Kater Whiskers und ich suchten dringend eine neue Bleibe.
“Kommen Sie, dann zeige ich Ihnen einmal die Räumlichkeiten, bevor Sie den Vertrag unterschreiben”, lud sie mich ein.
Ich lächelte und nickte. Obwohl es eigentlich nicht nötig war. Tief in meinem Inneren
wusste
ich, dass dies der richtige Platz war. Für mein Garngeschäft. Und für mich.
Der einzige Nachteil war, dass diese Gegend Seattles gerade saniert wurde. Der Zugang zur Blossom Street war aufgrund von Bauarbeiten an einer Seite komplett gesperrt. Nur die öffentlichen Verkehrsmittel konnten passieren. Das dreigeschossige Backsteingebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite, ein ehemaliges Bankhaus, sollte in hochwertige Eigentumswohnungen umgewandelt werden. In einigen anderen Gebäuden sollten ebenfalls moderne Wohnungen entstehen. Dem Architekten war es gelungen, trotz aller Modernisierungsmaßnahmen den traditionellen Charme der Häuser zu erhalten. Das gefiel mir. Die Bauarbeiten würden noch Monate andauern. Doch das bedeutete auch, dass meine Miete erschwinglich wäre – im Augenblick zumindest.
Ich wusste, dass die ersten sechs Monate schwierig werden würden. Das erste halbe Jahr ist für jedes kleine Geschäft entscheidend. Die Baustellen machten den Anfang vermutlich noch komplizierter, als er ohnehin sein würde. Doch trotz allem liebte ich die Gegend und den Laden. Es war alles, was ich mir jemals erträumt hatte.
Am frühen Freitagmorgen, eine Woche, nachdem ich das Geschäft zum ersten Mal gesehen hatte, setzte ich meinen Namen, Lydia Hoffman, unter den Zweijahresvertrag. Ich bekam die Schlüssel und eine Kopie des Mietvertrags ausgehändigt. Noch am selben Tag zog ich – aufgeregt wie noch nie zuvor in meinem Leben – in meine neue Wohnung ein. Ich fühlte mich, als würde ich noch einmal ganz von vorn anfangen. Und tatsächlich tat ich das auch.
Ich eröffnete
A Good Yarn
am letzten Dienstag im April. Ein Gefühl von Stolz und Vorfreude durchflutete mich. Ich stand inmitten meines Ladens und betrachtete die unzähligen Farben, die mich umgaben. Was meine Schwester Margaret dazu sagen würde, konnte ich mir nur zu gut vorstellen. Sie ist – um es einmal milde auszudrücken – nicht gerade ein Mensch, von dem man Ermutigung und Unterstützung erwarten kann.
Ich hatte einen Tischler gefunden, der mir ein Regal mit drei Fächerreihen baute. Es war in einem glänzenden Weiß gestrichen. Der größte Teil der Wolle war am Freitag geliefert worden. Ich brachte das Wochenende damit zu, sie nach Gewicht und Farbe in den Fächern zu verteilen. Eine Registrierkasse hatte ich gebraucht gekauft, den alten Tresen auf Hochglanz poliert und schließlich Ständer mit Strickzubehör aufgestellt. Alles war fertig. Ich war bereit.
Eigentlich hätte dies ein glücklicher Moment sein sollen. Doch stattdessen ertappte ich mich dabei, wie ich mühsam versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Dad wäre so stolz auf mich gewesen. Er hatte mich stets unterstützt. Als er starb, fühlte ich mich wie gelähmt.
Ich hatte
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