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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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    Teil 1
    Der Perp Walk
    1
    Dienstag, 9. Februar, 13:43 Uhr
    D as letzte Mal, als ich im Water Grill etwas gegessen hatte, hatte ich mit einem Mandanten am Tisch gesessen, der seine Frau und ihren Geliebten mit mehreren Schüssen ins Gesicht eiskalt und berechnend ermordet hatte. Er hatte mir das Mandat erteilt, damit ich ihn beim Prozess nicht nur verteidigte, sondern auch vollständig entlastete und in den Augen der Öffentlichkeit seinen guten Ruf wiederherstellte. Dieses Mal sah ich mich einem Mann gegenüber, bei dem ich noch vorsichtiger sein musste. Ich speiste mit District Attorney Gabriel Williams, dem Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles County.
    Es war ein kühler Winternachmittag. Ich saß mit Williams und seinem loyalen Stabschef – sprich: politischem Berater – Joe Ridell am Tisch. Der Termin für das Essen war auf 13:30 Uhr gelegt worden, da um diese Zeit die meisten Rechtsanwälte längst wieder zurück im CCB wären und das Treffen des DA mit einem Vertreter der Schattenseite nicht so schnell publik würde. Mit Letzterem war ich gemeint: Mickey Haller, Verteidiger der Verdammten.
    Der Water Grill war ein gutes Lokal für ein Mittagessen in downtown L.A. Vorzügliches Essen, angenehme Atmosphäre, zwischen den Tischen genügend Abstand für vertrauliche Gespräche und eine Weinkarte, die in Downtown ihresgleichen suchte. Es war die Sorte Restaurant, in dem man die Anzugjacke anbehielt und vom Kellner eine schwarze Serviette über den Schoß gebreitet bekam, damit man es nicht selbst tun musste. Die Herren von der Staatsanwaltschaft bestellten auf Kosten des Steuerzahlers Martinis, ich hielt mich an das kostenlose Wasser, das der Water Grill ausschenkte. Williams benötigte zwei Schluck Gin und eine Olive, bis er auf den Grund zu sprechen kam, aus dem wir uns vor aller Augen versteckten.
    »Mickey, ich hätte da einen Vorschlag für Sie.«
    Ich nickte. So viel hatte Ridell bereits durchblicken lassen, als er mich am Morgen angerufen hatte, um den Termin für das Essen zu vereinbaren. Ich hatte zugesagt und mich dann meinerseits ans Telefon gehängt, um so vielleicht an ein paar Insiderinformationen zu kommen, was dieser Vorschlag beinhalten könnte. Aber nicht einmal meine Ex-Frau, die in der Bezirksstaatsanwaltschaft arbeitete, wusste, was dahinterstecken könnte.
    »Ich bin ganz Ohr«, sagte ich. »Es kommt schließlich nicht jeden Tag vor, dass einem der DA persönlich einen Vorschlag macht. Mir ist natürlich klar, dass es dabei nicht um einen meiner Mandanten gehen kann – sie verdienten wohl kaum die Aufmerksamkeit eines Mannes in Ihrer Position. Außerdem habe ich im Moment sowieso nicht viele Fälle. Die Auftragslage ist gerade etwas flau.«
    »Sie haben völlig recht«, erklärte Williams. »Es geht hier nicht um einen Ihrer Mandanten. Ich hätte gern, dass Sie einen Fall für mich übernehmen.«
    Ich nickte wieder. Jetzt verstand ich. Alle hassen sie den Strafverteidiger, bis sie den Strafverteidiger brauchen. Mir war zwar nicht bekannt, ob Williams Kinder hatte, aber eigentlich müsste er darauf hingewiesen worden sein, dass ich keine Jugendlichen verteidigte. Deshalb nahm ich an, dass es seine Frau betraf. Ein Ladendiebstahl vielleicht oder Alkohol am Steuer oder sonst etwas, was nicht an die Öffentlichkeit dringen sollte.
    »Wer wurde denn einkassiert?«, fragte ich.
    Williams sah Ridell an, und beide lächelten wissend.
    »Nein, nicht, was Sie denken«, sagte Williams. »Mein Vorschlag ist folgender: Ich würde Sie gern anheuern, Mickey. Ich möchte, dass Sie für die Staatsanwaltschaft arbeiten.«
    Mir waren alle möglichen Ideen durch den Kopf gegangen, seit ich Ridells Anruf erhalten hatte, aber eine war mit Sicherheit nicht darunter gewesen: dass ich einen Job als Ankläger angeboten bekommen könnte. Ich war seit mehr als zwanzig Jahren eingetragenes Mitglied der Strafverteidigerkammer. In dieser Zeit hatte ich ein Misstrauen gegen Staatsanwälte und Polizisten entwickelt, das vielleicht nicht so tief saß wie das der Gangmitglieder unten in Nickerson Gardens, sich aber dennoch in einem Rahmen bewegte, der mich schwerlich auf ihre Seite hätten wechseln lassen. Es war ganz einfach so: Sie wollten nichts von mir, und ich wollte nichts von ihnen. Sah man einmal von der erwähnten Ex-Frau und einem Halbbruder ab, der beim LAPD war, traute ich keinem von ihnen über den Weg. Ganz besonders nicht Williams. Er war in erster Linie Politiker und erst in zweiter Staatsanwalt. Das

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