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Adieu, Sir Merivel

Adieu, Sir Merivel

Titel: Adieu, Sir Merivel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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gebogenen Finger, der so dünn und beweglich ist wie der Stängel einer Frühlingszwiebel, hinein und packe die junge Seele und lutsche sie, wie ein Feinschmecker eine rohe Spargelstange lutscht. Später würde sie dann durch den Körper des Satans wandern und als widerlicher Kot zur Erde zurückkehren, um in den Schmutz getreten zu werden.
    Das seelenlose Kind würde dann leider ohne menschliche Eigenschaften aufwachsen, es würde mitleidlos sein und sein Leben lang ein Sklave seiner Begierden. Und damit diese Katastrophe nicht eintrat, blieben die Fenster der Kinderzimmer stets verschlossen und versperrt, und manchmal geschah es, dass Säuglinge aus Mangel an frischer Luft starben.
    Und auch wenn ich sah, dass Duquesnes Buch viel Fantasterei enthielt, beunruhigte mich all dies doch sehr. Ich saß lange am Bibliothekstisch und grübelte darüber nach. Und es kam mir in den Sinn, dass ich mir das Thema der Tierseele wohl deshalb gewählt hatte, weil ich nachprüfen wollte, ob ich, als ein Mensch, den der Glaube an Gott längst verlassen hatte und der sich eine Wiederauferstehung absolut nicht vorstellen konnte, überhaupt eine Seele besaß oder ob ich lediglich ein Amalgam eitler Lüste und Begierden war und um nichts besser als ein junger Hahn, der am Morgen über seinen Hof stolziert und alle Welt mit seiner misstönenden Stimme weckt.
    Es wurde mit jedem Tag kälter, und weil ich wusste, dass bald Weihnachten sein würde, begann ich Geschenke für Margaret zu kaufen – eine Elfenbeinbrosche in der Form einer Edelweißblüte, ein ledernes Schmucketui und edleSchweizer Spitze. Ich schickte alles nach London zu Margaret, zusammen mit der Nachricht, dass ich im Winter nach Bidnold kommen würde, wenn sie in Whitehall nicht glücklich sei und nach Norfolk zurückkehren wolle.
    Dann schrieb ich wie folgt an Will Gates:
    Mein lieber Will,
    Dein Dienstherr, Sir R. Merivel, schickt Dir seine guten Wünsche aus der Schweiz, wo wir uns, genau wie Du, mit hier und da einem leichten Schneefall dem Winter nähern.
    Obgleich ich es nicht übers Herz bringe, diesen sehr schönen Ort im Augenblick zu verlassen, denke ich immerzu an Bidnold und hoffe inständig, dass ihr nicht von Mauern aus Eis eingeschlossen werdet, so wie wir im vergangenen Winter.
    Gib mir bitte Nachricht, ob es Dir gutgeht, Will. Ich nehme nicht an, dass der König Bidnold besucht hat. Ich fühle mich sehr fern von Euch allen. Doch ich kann Dir berichten, dass ich nicht müßig gewesen bin, sondern mit einem Werk begonnen habe, von dem ich glaube, dass es Miss Margaret gefallen wird.
    In Erwartung Deiner Antwort schicke ich Dir als Weihnachtsgeschenk einen illustrierten Almanach, der alle Tage des Jahres 1685 enthält, welches in Kürze über uns kommen wird.
    Von
    Deinem Dir zugeneigten Freund und Gebieter
    R. Merivel
    Als ich Louise den Almanach zeigte, der sehr hübsch mit astronomischen Zeichen und Symbolen geschmückt war, sagte sie: »Der ist zu schön als Geschenk für einen Dienstboten.«
    Ich nahm ihn ihr aus der Hand und wickelte ihn ein. »Nein«, sagte ich. »Das ist er nicht.«

27
    Weihnachten kam und ging, und ich empfing einen schönen Brief von Margaret, worin sie erklärte, wie wohl sie sich immer noch bei Fubbs fühle, und auch mit sehr herzlichen Worten ihren Bewunderer, den ehrenwerten Julius Royston, erwähnte. Sie schrieb:
    Ich habe Julius in die Regeln von Gin Rommé eingeführt, und nun sind wir beide dem Spiel ganz verfallen. Wir spielen gern allein, ohne dass uns andere langsamere oder schwächere Mitspieler verdrießen, weshalb wir uns heimlich davonstehlen – vor der Herzogin und manchmal sogar vor dem König (der ein deutliches Wohlgefallen an Julius bekundet) –, um unsere Karten auszuteilen. Ich fürchte, es gibt keine Heilung für unsere Sucht …
    Nach dieser zärtlichen Erwähnung von Royston spürte ich, wie meine Besorgnis um Margaret ein wenig nachließ. Doch ich befahl mir, wachsam zu bleiben. Margaret ist eine kluge junge Frau, die schon sehr früh begriffen hat, wie einfach es ist, mich wie den Fänger im Blindekuhspiel immerzu im Kreis herumzuführen.
    Von Will kam keine Antwort.
    Ich versuchte, mir die langsame Reise meines Briefs und meiner Geschenke vorzustellen, erst durch Frankreich und übers Meer und dann, nicht schneller als ein Pferd traben konnte, weiter auf den Straßen von Suffolk und Norfolk. Ich wusste, dass ich mich gedulden musste.
    Doch in meinen Träumen sah ich mein Haus Feuer fangen und jede

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