Adler schießen nicht
lakonisch. »Du, Charlie, darfst als
besondere Auszeichnung die Breda tragen .«
Langsam gingen wir den Strand
entlang, bis wir an die Stelle kamen, wo der Fluß ins Meer mündete.
»Na ja, vor Durst werden wir
jedenfalls nicht sterben«, stellte Tess fest.
Ich zwickte Charlie prüfend in
den Arm. Er schrie auf und sah mich unwirsch an. »Ein bißchen zäh«, sagte ich.
»Aber vielleicht wird er etwas weicher, wenn wir ihn lange genug dünsten .«
Charlies Augen wurden
tellergroß. Hastig machte er ein paar Schritte und setzte sich dann fünf Meter
entfernt in den Sand.
»Wie spät ist es ?« fragte Tess.
Ich sah auf die Uhr. »Halb
acht. Wir haben den ganzen Tag vor uns .«
» Welch eine zauberhafte Aussicht«, meinte sie abfällig. »Weißt du, Andy«, fuhr sie
ernsthaft fort, »ich kann nichts dafür, aber ich muß andauernd an Sadie Green
denken. Sie tut mir so leid .«
»Mir tut jeder leid, der tot
ist«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Du bist ekelhaft .«
»Durchaus nicht. Ich kann bloß
weder über Sadie noch über von Nagel heulen. Sie kannten das Risiko .«
»Die ganze Sache hat für mich
trotzdem immer noch keinen Sinn«, verriet Tess mir kleinlaut. »Für dich etwa?«
»Ein wenig schon«, erwiderte
ich.
»Erkläre es mir .«
»Nein. Ich könnte mich ja irren .«
»Typisch Mann!« Sie lachte
höhnisch. »Vollgestopft mit Eitelkeit! Kann sich nicht erlauben, dabei ertappt
zu werden, daß er sich mal irrt .«
»An deiner Stelle«, erklärte
ich mit unheilvollem Unterton, »würde ich eine Idee höflicher sein .«
»Ach, wirklich ?« spottete sie. »Nenn mir doch mal einen guten Grund dafür .«
»Du hast doch gehört, was ich
von Charlie halte. Zäh und sehnig. Aber du?« Ich machte eine entsprechende
Geste. »So etwas Zartes, Saftiges — für Steaks wie geschaffen.«
Das plötzliche Hämmern eines
Maschinengewehrs versetzte meine Nerven in Zuckungen. Meine Hand sauste auf
Tess’ Nacken und zwang sie kopfüber in den Sand. Ich lag neben ihr und wagte
nicht aufzusehen. Dann war es genauso schlagartig wieder ruhig, wie es begonnen
hatte.
Einen Augenblick später
plumpste etwas in der Nähe in den Sand. Ich brauchte nicht nachzuschauen, ich
konnte mir denken, was es war: eine Granate, ein Blindgänger, der jeden
Augenblick in die Luft gehen würde.
Wie, zum Teufel, haben sie uns
bloß gefunden, dachte ich verbittert . Wie konnten sie
darauf gekommen sein, daß wir auf Lion Island an Land gegangen waren und ihr
verdammtes Boot versenkt hatten?
»Hey, Boss«, erkundigte sich
eine ängstliche Stimme über mir. »Sie seien krank oder was ?«
Vorsichtig hob ich den Kopf und
sah Charlie, der sich grinsend über mich beugte. »Jetzt keine Sorgen mehr, ich
zu zäh zum Essen«, frohlockte er.
»Was?« Ich hob den Kopf ein
paar Zentimeter höher.
»Jetzt wir haben zu essen«,
triumphierte er und deutete auf etwas, das ein paar Meter vor mir im Sand lag.
Ich riskierte einen vorsichtigen Blick.
»Du warst das also«,
konstatierte ich schockiert. »Du hast mit der Breda geschossen ?«
»Klar, Boss.« Er strahlte übers
ganze Gesicht. »Ich sehen diesen Vogel fliegen und gleich denken, gute Mahlzeit
für Mittag .«
Ich sah mir den toten Vogel,
den ich für einen Blindgänger gehalten hatte, genau an. Es war ein dürrer,
zäher Tölpel, und man konnte das Salz, das sein Gefieder verkrustet hatte, fast
sehen.
»Na, was Sie jetzt sagen, Boss ?« fragte Charlie.
»Ich sage«, antwortete ich
bewegt, »wir sollten fair sein. Du hast ihn erlegt, du darfst ihn auch essen .«
Ich hörte neben mir ein
Stöhnen, blickte hinunter und sah, wie mich zwei Augen durch eine Sandkruste
anstarrten. Dann erst wurde mir klar, daß es Tess’ Gesicht war.
»Was hattest du mit mir vor ?« knirschte sie. »Wolltest du mich als Preßluftbohrer mißbrauchen ?«
»Ich glaubte an einen
Überfall«, entschuldigte ich mich lahm. »Aber es war nur Charlie, der sich sein
Mittagessen schoß .«
»Ich hätte nicht übel Lust,
dasselbe zu tun«, antwortete sie mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme.
»Mittagessen und Charlie sind für mich ein Begriff .«
»Hey !« schrie Charlie, »sehen Sie!« Er zeigte mit ausgebreiteten Armen auf eine
Dschunke, die in unsere Richtung kam.
»Charlie«, drängte ich, »nimm
die Breda und verstecke sie. Vergrabe sie unter einem Baum oder sonstwo , aber kennzeichne die Stelle, falls wir sie
wiederholen wollen .«
»Aber Boss, das schöne
Maschinengewehr!«
»Los, versteck sie
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