Adler schießen nicht
»Wahrscheinlich
haben Sie auf Jahre hinaus dazu keine Gelegenheit mehr .«
Ich nahm noch eine Lunge voll
Rauch. »Ihr Fehler ist eine schmutzige, argwöhnische Phantasie«, hielt ich ihm
vor.
Cross grunzte, ohne weiter zu
antworten.
»Ich habe zwar Informationen
für Sie, mit denen Sie Karriere machen könnten — aber das interessiert Sie ja
nicht, oder ?«
»Ich halte sie für einen faulen
Witz«, meinte er.
»Im Gegenteil, die Sache ist
todernst«, widersprach ich. »Aber so ein ausgestopfter Waschlappen wie Sie hat
ja keine Lust, sich mit Ruhm zu bekleckern, eine Beförderung zu verdienen und —
nebenbei — dem größten Opiumhändler dieser Kolonie das Handwerk zu legen .«
Er fuhr im Sitz hoch. »Dem
größten, was?«
»Ach, vergessen Sie’s«, sagte
ich und gähnte. »Es interessiert Sie ohnedies nicht .«
»Wenn das stimmt«, überlegte
er, »hätte ich nichts dagegen, die Sache mit Ihnen zu besprechen .«
»Aber nicht im Präsidium, mein
Lieber«, erklärte ich halsstarrig. »Wenn wir erst einmal dort sind, werden wir
uns nur noch über meinen Anwalt unterhalten .«
Sein Gesicht wurde süßsauer.
»Boy !« rief er scharf.
»Ja, Mister, Polizist, Boss ?« stammelte Charlie.
»Fahren Sie zum Haus Ihres
Herrn«, befahl Cross.
Zwanzig Minuten später hielt
Charlie vor der Garage. Wir waren kaum im Haus, als Tess in ihrem Zimmer
verschwand, um fünf Minuten später in einem knappen Bademantel zu erscheinen,
offensichtlich auf dem Weg in die Wanne. Cross starrte sich fest.
»Wenn Sie mich brauchen,
Inspektor«, schnurrte sie ,« können Sie mich aus dem Wasser holen.«
Diese kleine Zugabe konnte mich
nicht von den wichtigen Dingen des Lebens abhalten. Für mich ist das ein
doppelter Scotch. Für Cross machte ich einen Gin Sling. »Hier, nehmen Sie
schon«, sagte ich und hielt ihm das Glas hin. »Sie halten mich nur beim Trinken
auf .«
»Nein danke«, antwortete er
steif.
»Machen Sie sich doch endlich
zwei Knöpfe auf«, fuhr ich ihn an. »Ich werde es Ihnen ja nicht übelnehmen,
wenn Sie mich verhaften, nachdem Sie meinen Schnaps getrunken haben .«
Er zögerte noch, dann grinste
er. »Na schön«, seufzte er. »Brauchen kann ich ihn. Ich bekam eine Nachricht,
daß Sie auf einer Dschunke in Richtung Aberdeen unterwegs waren. Also fuhr ich
hin und wartete auf Sie. Aber daß es so verflixt lange dauerte, damit hatte ich
nicht gerechnet .«
»Also, Prosit !« rief ich. »Und jetzt verraten Sie mir endlich, weshalb Sie so wild darauf sind,
mich einzulochen .«
» Gestern
abend «, berichtete er formell, »wurde die Insel von zwei Explosionen
erschüttert. Nachforschungen ergaben, daß sie auf Mr. Maos Grund und Boden
stattgefunden haben. Es ist allerhand zerstört worden da oben. Das wäre an und
für sich nicht so tragisch, wenn nicht außer einer Reihe von Verletzten auch
vier Tote zu beklagen wären.
Mr. Mao entschuldigte sich, als
wir ihn verhörten. Er behauptete, daß es sich um einen Unfall handele. Er habe
für private Sprengungen Dynamit gelagert, und es sei in die Luft geflogen. Mao
versprach, für jeden Schaden aufzukommen und für die Hinterbliebenen zu sorgen.
So weit, so gut. Aber Mao erzählte uns, er habe kurz vor der Explosion
entdeckt, daß ihm ein Brillantenkollier im Wert von
einer halben Million Pfund gestohlen worden sei. Leider gäbe es nur einen Mann,
der als Täter in Frage komme, und er zeigte diesen Mann an .«
»Ich kriege wohl keinen Preis,
wenn ich errate, daß ich dieser Mann bin ?« erkundigte
ich mich.
»Keinen«, antwortete Cross.
»Wir haben recherchiert, und zwar bei Augenzeugen. Ihr Wagen wurde von einem
Irren nach Aberdeen gesteuert, dort sah man Sie mit Ihrem Diener und zwei
Frauen in einer Dschunke absegeln. Ihr Wagen blieb am Kai stehen mit
zertrümmertem Hinterfenster . Es ist wie ein
Puzzlespiel, eines reiht sich an das andere. Der Diebstahl — vielleicht sogar
die Explosionen als Ablenkungsmanöver — und nicht zu vergessen Ihre überstürzte
Abreise aus Hongkong .«
»Das einzige«, fuhr Cross fort,
nachdem er einen Schluck genommen hatte, »was nicht zu dieser Theorie paßt, ist
Ihre Rückkehr heute abend . Es sei denn, Sie sind
wiedergekommen, um sich zu stellen«, setzte er erwartungsvoll hinzu.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein.
Ich mußte gestern eilig in Geschäften nach Makao ,
aber ich wurde aufgehalten. Man hat mich statt dessen auf eine Reise
mitgenommen .«
»Soll das ein Alibi sein ?« erkundigte er sich geduldig.
Ich ignorierte
Weitere Kostenlose Bücher