Admiral Bolithos Erbe
Mörserbooten jederzeit nach Norden in Marsch setzen, wenn er weiß, daß die Luft rein ist.«
Duncan öffnete den Mund, schloß ihn aber gleich wieder.
»Kapitän Duncan«, sagte Bolitho, »Sie haben eine Frage?«
»Die Bausteine, Sir. Ihr Zweck leuchtet mir nicht ein. Selbst für Schiffsneubauten braucht man nicht solche Mengen Ballast, und wenn, müßten sie doch leicht in der näheren Umgebung der Werften zu finden sein.«
»Vielleicht nehmen sie die Steine nur vorübergehend als Ballast auf, und zwar bis zur endgültigen Indienststellung in Lorient oder Brest. Dort könnten die Steinladungen dann gelöscht und zur Verstärkung der Festungswälle und Landbatterien verwendet we rden. Das wäre zweckmäßig und würde sehr viel weniger Aufmerksamkeit erregen als ein Transport auf größeren Schiffen. Wie dem auch sei, meine Herren, wir haben die ganze Zeit das falsche Gebiet überwacht. Aber jetzt sind wir klüger, und ich beabsichtige, aufgrund dieser Informationen zu handeln.«
Neale und Duncan grinsten einander an, als wären sie Verbündete in einer Schlacht, die bereits geschlagen und gewonnen war.
Emes dagegen wandte ein: »Aber ohne Verstärkung wird das eine harte Nuß für uns, Sir. Ich kenne die Ile d’Yeu und das schmale Fahrwasser zwischen ihr und der Küste. Eine Reede, die leicht verteidigt, aber schwer angegriffen werden kann.« Sein Gesicht erstarrte wieder zur Maske, weil ihn die anderen so anfunkelten, als hätte er einen unerhörten Fauxpas begangen.
»Gut gesagt.« Bolitho legte beide Hände flach auf die Seekarte.
»Deshalb starten wir auch ein Ablenkungsmanöver. Die Franzosen bekommen uns dort zu sehen, wo sie uns erwarten, und werden deshalb nicht mit einem Überfall in so engen Gewässern rechnen.« Er drehte sich zu Browne um, der schon seit einigen Minuten seine Aufmerksamkeit zu erregen versuchte. »Ja?«
»Sir, wenn wir warten, bis Verstärkung eintrifft – was ja auch Sir George Beauchamps ursprünglichem Plan entspräche –, dann hätten wir doch gewiß bessere Erfolgsaussichten? Andererseits, wenn die Kurierbrigg mit neuen Befehlen zurückkehrt, die unseren jetzigen Auftrag widerrufen, dann hätten wir verfrüht gehandelt und besser nichts getan.«
»Nichts tun, Mann?« explodierte Duncan. »Was reden Sie da?« Aber Bolitho lächelte. »Ich verstehe, was Sie damit sagen wollen, Browne.«
Wie Herrick und Allday, so versuchte auch Browne nur, ihn zu schützen. Wenn sein Angriff mißlang, würde die Friedenspartei seinen Kopf fordern. Wenn er sich andererseits jetzt still verhielt, konnte niemand ihm daraus einen Vorwurf machen. Aber Beauchamps Vertrauen wäre damit bitter enttäuscht.
Deshalb sagte er ruhig: »Wenn es zum Friedensschluß kommt, dann soll das unter gleichen und fairen Bedingungen geschehen, nicht unter der Drohung einer Invasion. Und wenn der Krieg später wieder ausbricht, müssen wir schon heute sicherstellen, daß unsere Leute nicht von dem Augenblick an, da der Friedensvertrag zerrissen wird, auf verlorenem Posten kämpfen. Ich wüßte also nicht, was mir anderes übrigbliebe.«
Duncan und Neale nickten eifrig, aber Emes wischte sich nur mit ausdruckslosem Gesicht ein loses Fädchen vom Ärmel. In der Stille hörte Bolitho Smiths Feder über das Papier kratzen.
Er fügte hinzu: »Ich habe schon zu viele Schiffe verlorengehen sehen, zu viele Menschen sterben, als daß ich eine Chance ignorieren könnte, die für unsere Zukunft wichtig, ja entscheidend ist. Also schlage ich vor, meine Herren, daß Sie an Bord zurückkehren und Ihre Pflicht tun, genau wie ich hier.«
Als die drei Kommandanten die Kajüte verlassen hatten, sagte Bolitho zu Browne: »Dank für Ihre Sorge um mich, Oliver. Aber ich hatte von Anfang an keine andere Wahl. Auch ohne diese neuen Informationen hätte ich jetzt losschlagen müssen. Zumindest weiß ich nun, wo. Nur das Wie herauszufinden, dauert immer ein bißchen länger.«
Browne lächelte gerührt, weil Bolitho seinen Vornamen benutzt und ihm seine Überlegungen anvertraut hatte. Doch als der Admiral fortfuhr, war sein Ton wieder distanziert, als sei er in Gedanken bereits woanders.
»Aber etwas geht mir nicht aus dem Kopf…« Er dachte an den verbitterten und reservierten Emes, an seinen wunschlos glücklichen Neffen Adam, an die junge Frau in Falmouth. »Wenn ich wüßte, was das ist, wäre mir schon sehr viel wohler.«
Falls es nicht schon zu spät ist, dachte er insgeheim.
Kampfgeist
Sieben Tage nach dem Treffen der
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