Admiral Bolithos Erbe
schrägliegenden Deck um. »Aye, Sir. Ich und ein paar andere.« Aber dann riß er sich aus seiner Melancholie. »Gott, haben uns die Franzosen an dem Tag eingeheizt, das muß der Neid ihnen lassen! Ich sah den Ersten fallen und kurz darauf den Zweiten. Mr. Herrick, jung, wie er damals war, mußte ihren Platz einnehmen, und ich selbst dachte mehr als einmal, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.« Er schaute in Bolithos übe rschattetes Gesicht. »Ich sah auch Ihren Bootsführer sterben, den alten Stockdale. Als er Ihnen den Rücken deckte, vor dem Feuer der französischen Scharfschützen.«
Bolitho nickte schmerzlich. Er hatte nicht einmal bemerkt, daß Stockdale sich für ihn geopfert hatte.
Allday rang sich ein trauriges Grinsen ab. »Damals schwor ich mir, Sir, wenn Sie am nächsten Tag noch lebten, dann wollte ich Stockdales Stelle bei Ihnen einnehmen. Seitdem habe ich das zwar mehr als einmal bedauert, Sir, aber trotzdem…«
Pascoe kam die Leiter vom Batteriedeck heraufgeklettert. »Kapitän Emes hat mich abgestellt, Sir, Sie durchs Schiff zu führen.« Verlegen lächelnd blickte er sich um. »Ich nehme an, sie hat sich ziemlich verändert?«
Bolitho warf einen Blick nach achtern und sah Emes’ Gestalt sich dunkel vom blauen Himmel abheben. Wahrscheinlich beobachtete er sie und fragte sich, welche Vertraulichkeiten sie austauschten, an denen er nie teilhaben würde. Bolitho kam sich schäbig vor, aber er mußte einfach fragen.
»Hast du Mrs. Laidlaw gesehen, Adam?«
»Nein, Sir. Ich mußte noch vor ihrer Rückkehr aufbrechen. Aber natürlich habe ich einen Brief für sie hinterlassen.«
»Danke.«
Nun war er doch froh, daß er Pascoe von seinem Vater erzählt hatte. Andernfalls… Als könne er Gedanken lesen, sagte sein Neffe: »Als Vater während der amerikanischen Revolution gegen uns kämpfte, hat er doch auch dieses Schiff hier angegriffen. Ich habe lange darüber nachgedacht und nachzuempfinden versucht, was das für euch beide bedeutet hat.« Ängstlich starrte er Bolitho an, dann sprudelte er hervor: »Egal, ich wollte unbedingt an Bord, Onkel. Notfalls auch als rangniedrigster Offizier.«
Bolitho ergriff seinen Arm. »Das freut mich – für dich
un
d
für
das Schiff.«
Ein Midshipman kam nach vorn gerannt und griff grüßend zum Hut. »Empfehlung des Kommandanten, Sir, es liegt eine Nachricht für Sie vor.«
Auf dem Achterdeck schien Emes von den Neuigkeiten nicht weiter aus der Ruhe gebracht. »
Sty
x
hat eine Brigg gesichtet, Sir, im Süden von uns.« Ärgerlich blickte er nach oben, als sein eigener Ausguckposten das fremde Segel meldete. »Der da muß blind geworden sein.«
Bolitho wandte sich ab, um sein Lächeln zu verbergen. Denn er wußte, daß Neale den Ausguck gehenden Midshipman im Topp oft mit einem starken Teleskop versah, wenn die Sicht so gut war, daß es sich lohnte.
Emes hatte seinen Ärger schnell wieder unter Kontrolle. »Darf ich Sie jetzt zu einem Glas Wein in die Kajüte einladen, Sir?«
Wieder mußte Bolitho den Mann ansehen. Er spürte, daß Emes sich vor ihm fürchtete; zumindest fühlte er sich sehr unbehaglich.
»Ja, danke. Signalisieren Sie
Styx
,
sie soll Näheres auskundschaften, während wir uns diesen Schluck gönnen.«
Die Kajüte war so sauber und ordentlich wie das ganze Schiff, nichts lag herum, was über die Persönlichkeit ihres Bewohners Aufschluß gegeben hätte.
Emes füllte zwei Weingläser, während Bolitho durch die salzverkrusteten Heckfenster starrte und der auf ihn einstürmenden Erinnerungen Herr zu werden versuchte.
»Mr. Pascoe hält sich gut, Sir, so jung er auch ist.«
Bolitho musterte Emes über den Rand seines Weinglases. »Und wenn es anders wäre, würde ich keinerlei Nachsicht erwarten, Kapitän Emes.«
Diese unverblümte Antwort verunsicherte Emes. »Aha, verstehe, Sir. Aber man weiß ja, was die Leute so denken.«
»Ja? Und was denke ich, Kapitän?«
Emes schritt in der Kajüte auf und ab. »Die Flotte hat so wenig erfahrene Offiziere, Sir, und ausgerechnet mir hat man das Kommando über dieses alte Schiff gegeben.« Er wartete auf ein Zeichen Bolithos, ob er zu weit gegangen war, aber als keines kam, fuhr er entschlossen fort: »Sie war einmal ein feines Schiff, Sir, und unter Ihrem Kommando wurde sie sogar berühmt. Aber jetzt«, wie ein gefangenes Tier blickte er sich gehetzt um, »jetzt ist sie veraltet, die Spanten und Planken sind morsch vom Hafenliegen. Trotzdem bin ich froh, daß ich sie bekommen habe.« Er
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