Admiral Bolithos Erbe
manövrieren.
Allday schlurfte zu einem Wasserfaß hinüber und füllte in aller Ruhe einen Becher für Neale. Dabei warf er einen Blick durch den nahen Niedergang nach oben und versuchte, den Sinn des Geschreis zu erraten. Die Gefechtsvorbereitungen verstand er natürlich, und auch die Wetterverhältnisse waren ihm klar.
Er wartete, bis das Deck wieder ruhig lag, und hastete zur Bordwand zurück. Während er sich mit einer Hand an der Koje festhielt und mit der anderen den Becher an Neales Lippen setzte, sagte er leise zu Bolitho: »Immer noch ziemlich rauhe See, Sir. Ich höre Wasser übers Batteriedeck waschen.« Mühsam grinsend fügte er hinzu: »Das wird die Frogs ganz schön ins Schwitzen bringen.«
Browne zog die Knie fast ans Kinn und prüfte angeekelt seine Fußfesseln. »Wenn wir uns nur frei bewegen könnten!«
Vermehrtes Klappern der Handspaken und dumpfes Poltern über ihren Köpfen verriet ihnen etwas von den Anstrengungen der Mannschaft oben. Der Wind trieb sie immer näher auf die Gefahr zu, sie mußten also kämpfen, ob ihnen das nun paßte oder nicht.
Der Arzt und seine Gehilfen gruppierten sich wartend um ihren Operationstisch. Wie geduldige Geier, dachte Bolitho. Ihr Anblick hatte ihn noch immer demoralisiert.
»Hört mal!«
Sie lehnten sich so weit vor, wie ihre Ketten es zuließen, als eine metallisch klingende Stimme das tosende Duett von Wind und See überschrie.
»Rassemblez-vous á la batterie de tribordl«
Browne nickte ruckartig. »Die Steuerbordbatterie soll als erste feuern, Sir.«
Allday biß die Zähne zusammen. »Obacht – jetzt geht’s nach oben!«
Trotz seiner Warnung kam die bei der Aufwärtsbewegung des Schiffes abgefeuerte Breitseite überraschend und betäubend. Der Rumpf bäumte sich auf wie ein lebendes Wesen, die Decksplanken erbebten, fast einstimmig krachten die Kanonen; das Geschrei der Kanoniere ging unter im Quietschen der Lafetten und im dringlichen Kommandogebrüll vom Achterschiff.
Und noch einmal… Die
Cere
s
schien sich scharf überzulegen, als ihre Kanonen abermals aufbrüllten. Tief unten im Orlopdeck, wo der infernalische Lärm komprimiert und noch verstärkt wurde, glaubte Bolitho, die Trommelfelle würden ihm platzen. Staub schoß aus den Planken, und den Niedergang herab kam Rauch gedriftet wie Nebel im Moor.
Einige Arzthelfer waren zusammengeschreckt und starrten nervös in den Rauch, andere machten sich mit Instrumenten und Eimern zu schaffen.
Heiser rekapitulierte Browne: »Zwei Breitseiten, Sir, aber keine Reaktion des Gegners.«
Bolitho schüttelte den Kopf zum Zeichen, daß er jetzt nicht sprechen wollte. Er fürchtete, daß ihm sonst etwas entging. Genau wie seine Gefährten konnte er die meisten Geräusche oben ident ifizieren: das Auswischen der Rohre, das Feststopfen der Ladung, die huschenden Schritte der Munitionsmänner, das unzusammenhängende Geschrei der Stückmeister, die ihr Ziel auffaßten.
Wie aber sah das andere Schiff aus? War es groß, war es klein? Wieder einmal erschütterte eine Breitseite sie bis ins Mark.
Daß sie nach Lee feuern mußten, war ein großes Erschwernis, dachte Bolitho. Bei diesem hohen Seegang mußten die Stückpforten fast unterschneiden, und wenn das gegnerische Schiff von einem kühlen Kopf geführt wurde, konnten die Franzosen kaum mit voller Erhöhung feuern.
Vereinzelte Jubelrufe oben, dann eine Breitseite mit länger auseinandergezogenem Feuer: immer zwei Schüsse und dann eine Pause von einigen Sekunden.
Erbost murmelte Allday: »Entweder trauen sich die Unsrigen nicht näher ran, oder die Franzosen haben sie schon entmastet.«
Bolitho sah den Kreis der Laternen schräg zur Decke hin kippen und so stehenbleiben, wie an unsichtbaren Fäden befestigt. Das Schiff legte sich stark über und schwang nur langsam wieder zurück. Also hatte der Kapitän gehalst, überlegte Bolitho, und lief jetzt einen etwas ruhigeren Kurs, auf dem er den Wind fast von achtern hatte. Offenbar hatte er sein Selbstvertrauen wiedergewonnen und nutzte die ganze Kraft des Sturms, um aus der Landabdekkung zu kommen und den Feind einzuholen. Bolitho mußte seine Enttäuschung verbergen. Denn dies bedeutete, daß das andere Schiff entweder beschädigt oder den Franzosen hoffnungslos unterlegen war, an Bewaffnung ebenso wie an Manövrierfähigkeit.
Da schlug mit Krach und Donner eine Lawine aus Eisen in den Rumpf. Bolitho blieb vor Schmerz die Luft weg, als er hochgerissen wurde, so weit es seine Fesseln und Ketten
Weitere Kostenlose Bücher