Admiral Bolithos Erbe
Uniformen: Marineinfanterie.
Sie hielten sich fern von den anderen, standen nur da, in den Fäusten die Musketen mit aufgepflanztem Bajonett, und starrten wortlos zu den Gefangenen hinüber. An ihrem Auftrag konnte kein Zweifel bestehen.
Der Arzt schnitt dem französischen Kapitän das Hemd vom Leibe, trat dann aber zurück und winkte seine Helfer herbei.
»Il est mort.«
Die leichter Verwundeten reckten die Hälse und spähten durch den Qualm zum Operationstisch, offenbar ohne zu begreifen. Das Schießen an Deck ließ nach, als sei auch den Männern dort oben der Schreck über den Tod des Kommandanten in die Glieder gefahren.
Und dann kam der dumpfe Aufprall und das mahlende Scheuern, mit dem das fremde Schiff sich knirschend längsseit legte.
Das Deck unter Bolitho krängte stark; wahrscheinlich hatte der andere Kommandant es so eingerichtet, daß der Wind die verkrüppelte
Cere
s
gegen ihn drückte. Jetzt verhakten sich Riggs und Spieren in einer letzten, unlösbaren Umarmung.
»Hurra! Hurra!« Wildes, fast nicht mehr menschliches Geschrei oben. »Männer von
Ganymed
e
–
mir nach!«
Als Antwort schlug klirrend Stahl auf Stahl, krachten vereinzelte Musketen- und Pistolenschüsse zum Getrappel vieler Füße.
Für die beiden Marinesoldaten mußte das ein Signal gewesen sein. Der Korporal, Bolitho am nächsten, hob die Muskete, das aufgepflanzte Bajonett funkelte im Licht, als er auf Neales Brust anlegte.
»Zu spät, Kumpel!« Allday sprang aus dem Schatten, das große Entermesser schon zum Schlag erhoben, und hieb es dem Soldaten quer ins Gesicht. Als der Mann fiel und sich in seinem Blut wand, griff Allday den zweiten Soldaten an. Auch dieser hatte angelegt, schien aber vor Schreck über das Schicksal seines Kameraden erstarrt zu sein.
»Hat dich verlassen, dein Mut, wie?« brüllte Allday. Mit dem ersten Schlag spaltete er ihm den Brustriemen; die Schneide drang so tief ein, daß der Soldat vornüber zusammenklappte; seine Schreie verstummten erst, als das Entermesser beim zweitenmal auf seinen exponierten Nacken niederfuhr.
Mit einem Würgen in der Kehle hatte Browne zugesehen. Überall um sie her gellten Schreie, Flüche und Schmerzgeheul. Und immer wieder das stählerne Klirren der Säbel, obwohl die Kämpfenden schon auf so blutbesudelten Planken standen, daß ihnen die Füße wegrutschten.
Allday klammerte sich mit einer Hand an Neales Koje und parierte mit der anderen jeden Versuch, dem Kranken nahe zu kommen. Eine Musketenkugel schlug nur zollbreit neben Bolithos Schulter in die Bordwand, und einmal wirbelte Alldays Schneide schützend wie ein Schild über Bolithos Kopf durch die Luft.
Ein Mann stürzte leblos den Niedergang herab, ein anderer schrie gellend, bevor ein Säbelhieb den Ton so abrupt zum Verstummen brachte, als sei eine Tür zugeschlagen worden.
Plötzlich stand ein britischer Marinesoldat am Fuß der Leiter, die weißen Breeches blutbeschmiert, die Augen unter dem wirren Haar vor Wahnwitz funkelnd. Er hielt die Muskete stoßbereit, das besudelte Bajonett zitterte.
Als er Allday mit seinem blanken Entermesser entdeckte, schrie er wild: »Hierher, Kameraden, hier leben noch ein paar von den Hunden!« Dann holte er aus.
Schulter an Schulter hatte Allday schon manchesmal mit den britischen Marinesoldaten gefochten. Aber noch nie hatte er ihre Angriffswut auf der anderen Seite erlebt.
Der Nahkampf hatte den Soldaten in einen Rausch versetzt, hatte ihn toll gemacht, bis er von blinder Mordlust getrieben wurde. Allday wußte, den konnte er mit erklärenden Worten nicht bremsen. Hinter ihm stolperten noch mehr Briten den Niedergang herunter, und er begriff: Wenn er nicht sofort reagierte, war er in der nächsten Sekunde ein toter Mann.
»Halt, du verdammter Idiot!« Alldays Kasernenhofton bremste den Seesoldaten mitten im Ausfall. »Schneide den Offizieren hier die Fesseln durch, oder ich schlage dir den Schädel ein!«
Offenen Mundes starrte der Soldat ihn an. Und dann begann er zu lachen – lautlos, aber so heftig, daß sein ganzer Körper krampfhaft zuckte. Es schien kein Ende zu nehmen.
Ein englischer Leutnant erschien mit blutigem Säbel und sah sich so mißtrauisch im Orlop um, als wittere er weitere Gefahren. Ungeduldig stieß er den hysterischen Seesoldaten beiseite, starrte erst Neale an und dann die anderen.
»Um Gottes willen – schafft diese Gefangenen hier an Deck! Aber macht schnell, der Kommandant hat schon den Rückzug befohlen.«
Ein Seemann eilte mit einem
Weitere Kostenlose Bücher