Admiral Bolithos Erbe
Bootsmann des Admirals gehört hatte. Deshalb schritt er lieber wortlos zur anderen Seite des Achterdecks hinüber.
Als sich schließlich Dunkelheit über die Reede senkte, nur hin und wieder erhellt von Ankerlichtern und dem Strahl eines Festfeuers an Land, schien auch die
Benbo
w
in Schlaf zu sinken. Erschöpft von der langen Arbeit in der Takelage und an Deck, lag die Mannschaft dicht an dicht in ihren Hängematten und schlief wie eine Reihe Kokons in einer versiegelten Höhle. Zwischen den Hängematten warteten die Kanonen stumm hinter ihren Stückpforten und träumten vielleicht von der Zeit, als sie Tod und Verderben spien und alles sich vor ihrer brüllenden Wut duckte.
Achtern saß Bolitho in der großen Tageskajüte noch an seinem Schreibpult, während eine Laterne über seinem Kopf leise im Kreis schwang, im Takt zu den Bewegungen des Schiffes an seiner Ankertrosse.
Für das Geschwader, für seine Mannschaft war er ein Name, ein Anführer, dem man blind gehorchte. Manche hatten schon unter ihm gekämpft und waren stolz darauf. Andere mußten sich erst ein Bild von ihm machen, in den Erfolgen des jungen Konteradmirals einen kleinen Anteil Ruhm und Unsterblichkeit für sich selbst verkörpert sehen. Und dann gab es die wenigen, die wie der getreue Ozzard – der jetzt in seiner Pantry so wachsam schlief wie eine kleine Maus – Bolithos Stimmungen am frühen Morgen, nach einem wi lden Sturm oder einer wüsten Verfolgungsjagd kannten. Zu ihnen gehörte auch Allday, der Bolitho selbstlos ergeben war, obwohl er als Gepreßter eigentlich Haß und Demütigung hätte empfinden müssen. Herrick, der über einem Stapel mit Dienstpapieren eingeschlafen war, hatte Bolitho in Augenblicken höchster Erregung und tiefster Niedergeschlagenheit erlebt. Besser als jeder andere hätte er jetzt den Mann durchschaut, der in straffer Haltung an seinem Pult saß, die Schreibfeder über einem Stück Briefpapier, in Gedanken völlig bei der Frau, die er an Land zurücklassen mußte.
Mit Bedacht und Sorgfalt begann Bolitho zu schreiben: »Meine geliebte Belinda…«
Kein Blick zurück
Richard Bolitho lehnte in seinem Sessel und wartete ungeduldig darauf, daß Allday endlich mit dem Rasieren fertig wurde. Herrick stand außerhalb seines Gesichtsfelds an der Lamellentür, während überall unter und über ihnen Rumpfund Decks der
Benbo
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vom Lärm der Reparaturarbeiten widerhallten.
Herrick berichtete: »Ich habe Kapitän Neale darüber informiert, Sir, daß Sie noch heute vormittag Ihre Flagge auf
Sty
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setzen we rden. Er scheint darüber ganz außerordentlich erfreut zu sein.«
Bolitho blickte Allday an, der konzentriert mit dem Rasiermesser an seinem Kinn herumschabte. Der Ärmste mißbilligte ganz offensichtlich den Umzug auf die enge Fregatte und hätte den relativen Luxus auf dem Flaggschiff bestimmt vorgezogen; genau wie Herrick es offenbar keinem anderen Kommandanten zutraute, daß er die Aufgaben eines Flaggkapitäns bewältigen konnte.
Es war wirklich seltsam, wie sich die Schicksalsfäden bei der Navy immer wieder ineinanderwoben. Kapitän John Neale, jetzt Kommandant der mit 32 Kanonen bestückten Fregatte
Styx
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hatte in einem anderen Krieg, auf einer anderen Fregatte, als pausbackiger Midshipman unter Bolitho gedient. Auch Kapitän Keen, der mit seinem Linienschiff dritter Klasse, der
Nicator,
kaum eine Kabellänge entfernt ankerte, war auf einem Schiff Bolithos Midshipman gewesen.
Stirnrunzelnd dachte Bolitho an Adam Pascoe; wann würde er von ihm hören, von seinen Fortschritten, seinem neuen Schiff und seinem Kommandanten erfahren?
Sorgfältig wischte Allday ihm das Gesicht sauber. »Fertig, Sir.« Bolitho wusch sich in einer Schüssel, die Allday bei den Heckfenstern hingestellt hatte. Zwischen ihnen bedurfte es keiner langen Worte. Allday kannte von vielen Jahren Dienst im Hafen oder auf See Bolithos Gewohnheiten und seine Ungeduld, wenn er die Wand anstarren mußte, während Allday ihn für den Tag zurechtmachte.
Schließlich gab es eine Menge zu tun, Befehle an die einzelnen Kommandanten mußten ausgefertigt werden, ein Bericht über den Stand ihrer Einsatzbereitschaft an die Admiralität sollte abgehen, die unerbittlich wachsenden Werftrechnungen mußten geprüft und abgezeichnet, Beförderungen ausgesprochen werden. Es wäre unfair, Herrick zu viele unerledigte Arbeiten zu hinterlassen, überlegte Bolitho.
Herrick fuhr fort: »Unser Postboot hat Ihre Depeschen an Land gebracht, Sir. Es hat gerade
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