Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
war der neue Weg nach vorn für mich, und ich liebte die Vorstellung von all der Zeit für mich, in der ich Gesichtsmasken auflegen und eine Folge nach der anderen von America’s Next Top Model und My Super Sweet Sixteen gucken konnte. Ich hatte sogar schon einige schwer überwachte Kochversuche gestartet, deren primäres Ziel nicht gewesen war, die Überreste vergangener Takeaway-Lieferungen in der Mikrowelle noch einmal aufzuwärmen.
Es war eine vollkommen andere Jeane. Eine bezaubernde Jeane, könnte man vielleicht sagen.
»Das hältst du nie durch«, sagte Michael am vierten Tag meines neuen aufregenden Lebens als ganz normales, ordentliches Nullachtfünfzehn-Mädchen zu mir. »Du wirst platzen. Ich glaube nicht, dass du das noch eine Woche länger aushältst.«
»Ich werde nicht platzen. Ich liebe mein neues Ich«, sagte ich, als wir nach dem Essen zusammen die Spülmaschine einräumten. Wir hatten soeben den letzten Truthahn verabschiedet und arbeiteten uns jetzt durch einen massiven Schinken, der am Weihnachtstag nicht mehr zubereitet werden konnte, weil einfach kein Platz mehr dafür im Ofen gewesen war.
Ich bin nicht ganz sicher, aber ich glaube, ich hörte Michael murmeln: »Also ich kann dein neues Ich nicht besonders gut leiden.« Aber als er sich wieder aufrichtete, nachdem er das Besteck noch einmal geordnet hatte, das ich in einer etwas ergonomischeren Weise eingeräumt hatte, hatte er ein mildes Lächeln auf dem Gesicht. »Alles, was ich sage, ist, dass du nicht einfach so tun kannst, als ob du normal wärst. Entweder du bist es oder du bist es nicht, und du bist es nicht.«
»In diesem Punkt irrst du dich. Wenn ich nur lange genug so tue, als wäre ich so normal wie alle anderen, wird es schließlich auch so sein.«
»Wenn man mal außer Acht lässt, dass die anderen niemals darüber nachdenken, normal sein zu müssen, sondern es einfach sind .« Michael grinste wieder, denn er hielt die ganze Sache sowieso mehr für einen Scherz als für einen lebensverändernden Transformationsprozess. Ich ertappte ihn immer wieder dabei, wie er mir diese seltsamen, erwartungsvollen Blicke zuwarf, als würde er denken, ich könnte mir ganz plötzlich meine neuen Klamotten vom Leib reißen, um einen darunterliegenden fluoreszierenden Catsuit zutage zu bringen und so laut ich konnte »Verarscht!« rufen.
Wenn ich mir in Erinnerung rief, dass er sich immer darüber beschwert hatte, wie ich mich anzog, und richtig, richtig sauer werden konnte, wenn ich ihm Vorträge über Geschlechterpolitik oder die Geschichte von Haribo hielt, hätte ich eigentlich erwartet, dass er, na ja, von meinem neuen Selbst irgendwie begeisterter sein würde. Jetzt, wo es nichts Peinliches mehr an mir gab und ich nicht mehr elf Milliarden Coolness-Punkte einbüßen würde, wenn ich mit Michael ausging, hätte es eigentlich wirklich Sinn gemacht, wieder zusammen zu sein.
Ich hatte jetzt Unmengen von Zeit, die ich einem Freund hätte widmen können, und wenn ich mit Michael ausgehen und in der Öffentlichkeit mit ihm Händchen halten würde, hätte die ganze Welt sehen können, dass ich nur ein ganz normales Mädchen war, das mit einem ganz normalen Jungen ausging. Ihr könnt weitergehen, hier gibt’s nichts zu sehen. Mit einer Ausnahme. Jetzt, wo ich auf normal machte, musste ich zugeben, dass ich ziemlich schlicht und gewöhnlich rüberkam, während Michael auf seine exotische Weise immer noch blendend aussah und, als ich es das letzte Mal gecheckt hatte, auch immer noch Mittelstürmer im Fußballteam und Sprecher der Schülermitverwaltung war; in der normalen Welt war er also für mich sowieso komplett unerreichbar.
Das erinnerte mich von Zeit zu Zeit daran, dass auch das Normalodasein nicht immer ein Kinderspiel war.
»Zu der Silvesterparty heute Abend – nur damit wir uns da einig sind – gehen wir nicht zusammen«, sagte Michael, falls ich in diesem Punkt noch nicht auf dem letzten Stand gewesen seinsollte. »Nicht als Paar, nur als Freunde, dann kann ich dich ordentlich all meinen Freunden vorstellen, auf die du all die Jahre herabgesehen hast, und du kannst damit anfangen, soziale Kontakte zu knüpfen.«
Ich zählte bis zehn. Ich hatte in den letzten Tagen sehr oft bis zehn zählen müssen. »Okay. Ich werde mich jetzt umziehen. Ich glaube, es ist Zeit, meine Jeans auszuführen.«
Zwei Stunden später war ich bereit, die Sache zu rocken. Also, ich meine, zur Silvesterparty von Michaels Freund Ant zu gehen. Meine braunen
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