Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
hast Massen von Freunden, die …«
»Ja, Leute, die ich aus dem Internet kenne«, erinnerte Jeane mich trocken. »Michael, nicht mal meine Eltern lieben mich.«
»Natürlich tun sie das! Sie sind deine Mum und dein Dad, das müssen sie.«
»Dass sie das müssten , heißt nicht, dass sie es auch tun«, sagte Jeane. »Und, ja, ich habe schon Freunde, aber ich verbringe Weihnachten mit deiner Familie, die mich praktisch kaum kennt, und meine eine, die einzige Einladung, die ich bekommen habe, wurde wegen einer Schlägerei zwischen einem Mann mittleren Alters, der auf einem Trip hängen geblieben ist, und seinem perversen Alki von Freund abgesagt. Das ist wirklich nicht cool. Und am Abend davor, als die Dusche kaputtgegangen ist, dachte ich auf einmal: Ich bin siebzehn Jahre alt und ich bin ganz allein, und das ist einfach viel zu viel Verantwortung für mich. Ich hab mir die ganze Zeit selbst vorgemacht, dass es mir gut ginge und ich mit meinem Leben bestens zurechtkäme, aber das war nur eine hauchdünne Fassade, die von Haribo und Prittstiften zusammengehalten wurde. Als ich wirklich Hilfe brauchte, hatte ich niemanden, den ich anrufen konnte.«
»Du hast mich angerufen«, sagte ich zu ihr. »Oder war ich nur der letzte Ausweg?«
»Der allerletzte meiner letzten Auswege, aber ich glaube, ganz tief in mir wusste ich, dass du kommen würdest, sogar obwohl du mich jetzt hasst.«
Ich nahm sie noch etwas fester in den Arm. »Ich hasse dich nicht. Du bist nicht gerade meine Lieblingsperson auf der Welt, aber vielleicht fängst du ja an, mir wieder ans Herz zu wachsen.«
»Ja, klar, wie ein Schimmelpilz.«
» So schlimm bist du ja nun auch wieder nicht«, sagte ich und Jeane hob den Kopf und grinste mich an. »Im Moment konzentrierst du dich außerdem viel zu sehr auf die schlimmen Dinge, weil Weihnachten ist, und wenn man sich an Weihnachten schlecht fühlt, ist das immer ein besonders schlechtes Gefühl von schlecht. Aber dir passieren doch auch eine Menge guter Sachen. Die Fernsehshow und das Buch und die Website und all die coolen Reisen – das wird mich lehren, dich nicht mehr eine absurde Schöpfung der Medien zu nennen.« Ich atmete tief ein. »Es tut mir übrigens sehr leid, dass ich das gesagt habe, und auch all die anderen Sachen.«
Jeane biss auf ihren Lippen herum und starrte auf den Boden. »Vielen Dank, dass du dich entschuldigst. Ich bedaure auch, was ich gesagt habe … na ja, all die Beleidigungen, die ich dir vielmehr entgegengeschleudert habe; aber auf Twitter so zu tun, als würdest du mich nicht kennen, das war echt nicht cool.«
Ich wand mich ein bisschen, weil ich mich so schämte, hoffte aber, Jeane würde denken, dass ich mich nur bequemer hinsetzen wollte. »Ich weiß, aber ganz ehrlich, ich hatte nicht den Plan, dich reinzulegen oder so was, und auf Twitter warst du so viel netter zu mir als im wirklichen Leben. Dann, als wir anfingen, uns zu treffen und so weiter, warst du auf Twitter immer noch viel netter zu mir als im wirklichen Leben. Vielleicht kann man sagen, du warst weniger adorkable als vielmehr adorable , also sehr liebenswürdig. Und es war wirklich so, wie ich es dir am Flughafen in New York gesagt habe: Ich hatte es schon viel zu lange so laufen lassen, sodass ich am Ende nicht mehr wusste, wie ich dir sagen sollte, dass wir auf Twitter Freunde waren.«
Sie schwieg sehr lange. Ich war nicht sicher, ob sie überhaupt verstanden hatte, was ich versucht hatte, ihr zu sagen, aber dann «hmmmm«-te Jeane und kicherte fast ein bisschen. »Ich glaube, das kann ich nachvollziehen«, sagte sie schließlich. »Das mit dem mehr ardorable als adorkable sein, meine ich. Das ist nämlich auch genau der Grund, warum ich das alles aufgeben werde. Ich habe mich entschieden: Kein Adorkable mehr. Nicht das Buch, nicht die TV-Show oder sonst irgendwas. Ich gebe das Geld zurück oder so.«
»Wie bitte? Bist du total verrückt geworden?«
»Ich will nicht mehr Adorkable sein. Ich will kein Dork sein. Ich will genau so sein wie jeder andere, statt immer so zu tun, als wäre es in Ordnung, sich selbst von allem auszuschließen, und dass alle anderen falsch liegen, bloß weil sie alle die gleichen Sachen gerne mögen und sich alle gleich anziehen. Ich denke, ich bin dazu berufen, anderen Vorträge darüber zu halten, wie cool es ist, einfach nur man selbst zu sein, aber was ich eigentlich meine, ist, dass es nur cool ist, so zu sein, wie ich sein will, und was weiß ich denn überhaupt? Ich
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