Aelita
zu raten.«
Während Icha dieses erklärte, setzte sie sich auf die Armlehne des Sessels, Gussew legte sogleich seinen Arm quer über ihren Rücken. Sie versuchte, sich zu befreien, wurde dann aber still und blieb ruhig sitzen. Gussew staunte ungeheuer über die Wunder in dem Mattspiegel. ›Ach diese Teufel, ach, treiben die einen Unfug!‹ Dann bat er, ihm noch etwas anderes zu zeigen.
Icha stieg vom Sessel herunter, schaltete den Spiegel ab und machte sich lange an der Zifferntafel zu schaffen: sie konnte die Löcher in dem Stecker nicht finden. Als sie jedoch zum Sessel zurückkam und sich wieder auf die Armlehne setzte – sie spielte dabei mit der Kugel am Ende der Schnur, die sie in der Hand hielt –, hatte ihr Gesichtchen einen Ausdruck, als wäre sie nicht ganz bei Sinnen. Gussew warf von unten her einen Blick auf sie und lächelte. Da zeigte sich Entsetzen in ihren Augen.
»Mädel, für dich ist es wahrhaftig Zeit zum Heiraten.«
Ichoschka wandte die Augen zur Seite und holte tief Atem. Gussew begann ihr über den Rücken, der empfindlich war wie bei einer Katze, zu streichen. »Ach du, meine Nette, Schöne, Blaue.«
»Sehen Sie mal, das ist noch interessanter«, sagte sie ganz schwach und zog an der Schnur.
Die Hälfte des Spiegels, der hell geworden war, verdeckte ein Rücken. Eine eisige Stimme war zu hören, welche die Wörter langsam aussprach. Der Rücken schwankte und bewegte sich aus dem Sehfeld. Da erblickte Gussew einen Teil von einem hohen Gewölbe, das im Hintergrund von einem quadratischen Pfeiler gestützt wurde, und ein Stück Wand, das mit goldenen Inschriften und geometrischen Figuren bedeckt war. Unten saßen um einen Tisch, mit geneigten Köpfen, dieselben Marsianer, die auf der Treppe des düsteren Gebäudes das Luftschiff mit den Menschen von der Erde erwartet hatten.
Vor dem Tisch, auf dem eine Brokatdecke lag, stand Aëlitas Vater Tuskub. Seine schmalen Lippen bewegten sich, sein schwarzer Bart glitt über der goldenen Stickerei seines Mantels hin und her. Er war wie aus Stein. Seine trüben, finsteren Augen blickten unbeweglich vor sich hin – geradewegs in den Spiegel. Tuskub sprach, und seine stechenden Worte waren unverständlich, aber trotzdem furchterregend. Jetzt wiederholte er mehrmals das Wort »Talzetl« und ließ, gleichsam zu schlagend, den Arm mit der Schriftrolle in seiner Faust sinken. Ein ihm gegenüber sitzender Marsianer mit einem breiten und blassen Gesicht erhob sich und schrie wütend, die weißlichen Augen auf Tuskub gerichtet: »Nicht sie, sondern du!«
Ichoschka fuhr mit einemmal zusammen. Sie saß zwar mit dem Gesicht zum Spiegel, sah und hörte aber nichts; die große Hand des Himmelssohnes streichelte ihren Rükken. Als die schreiende Stimme im Spiegel ertönte und Gussew einige Male dazwischen fragte: »Wovon reden sie denn, wovon?«, schien Ichoschka aufzuwachen; sie riß den Mund auf und blickte starr auf den Spiegel. Plötzlich stieß sie einen kläglichen Schrei aus und riß an der Schnur. Der Spiegel erlosch.
»Ich habe mich geirrt… Ich habe versehentlich eingeschaltet… Kein Schocho darf die Geheimnisse des Höchsten Rates hören.« Ichoschkas Zähne klapperten. Sie griff sich mit den Händen in das rote Haar und flüsterte voller Verzweiflung: »Ich habe mich geirrt…. Ich bin nicht schuld…. Sie werden mich in die Höhlen verbannen, in den ewigen Schnee.«
»Macht nichts, macht nichts, Ichoschka, ich sag es niemandem«, Gussew zog sie zu sich herunter und streichelte ihr warmes Haar, das weich war wie das einer Katze. Ichoschka wurde still, sie schloß die Augen.
»Ach du kleines, dummes Mädelchen! Man weiß nicht, bist du ein Tier oder ein Mensch. Dummchen, blaues.« Er kraulte sie mit dem Finger hinter dem Ohr, überzeugt, daß ihr dies angenehm sein müsse. Ichoschka zog die Füße hoch, rollte sich zu einem Knäuel zusammen. Ihre Augen leuchteten wie vorhin bei dem kleinen Tier. Gussew wurde es unheimlich.
Jetzt hörte man draußen Stimmen und Schritte, es waren Losj und Aëlita. Ichoschka stieg vom Sessel herunter und ging, unsicher auftretend, zur Tür.
In derselben Nacht begab sich Gussew zu Losj ins Schlafzimmer und sagte: »Um unsere Angelegenheiten ist es nicht ganz gut bestellt, Mstislaw Sergejewitsch. Ich habe mir hier so ein Mädelchen hergeholt, zum Einschalten des Spiegels, und da sind wir doch gerade auf eine Sitzung des Höchsten Rates gestoßen. Einiges habe ich verstanden. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, sie werden uns
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