Aelita
umbringen, Mstislaw Sergejewitsch, glauben Sie mir – damit wird es enden.«
Losj hörte ihm zu und hörte doch nichts: sein verträumter Blick ruhte auf Gussew. Er verschränkte die Arme im Nacken. »Zauberei, Alexej Iwanowitsch, nichts als Zauberei. Löschen Sie doch das Licht.«
Gussew blieb noch eine Weile stehen, sagte dann düster: »So.« Und ging schlafen.
Aëlitas Morgen
Aëlita war früh aufgewacht und hatte sich liegend auf den Ellbogen gestützt. Ihr breites nach allen Seiten freistehendes Bett stand dem Brauch entsprechend auf einer Erhöhung mitten im Zimmer. Der zeltartige Plafond ging in einen hohen Marmorschacht über, durch den verstreutes Morgenlicht in den Raum fiel. Die mit blassen Mosaiken bedeckten Wände des Schlafzimmers blieben im Halbdunkel: der Lichtkegel beleuchtete nur die schneeweißen Bettücher, die kleinen Kissen und den in die Hand gestützten aschfarbenen Kopf Aëlitas.
Sie hatte eine schlechte Nacht gehabt. Fetzen von seltsamen und unruhigen Traumgesichten waren in wirrem Durcheinander an ihren geschlossenen Augen vorbeigezogen; ihr Schlaf war so fein gewesen wie ein dünnes Häutchen auf dem Wasser. Die ganze Nacht hindurch hatte sie sich schlafend gefühlt, ermüdende Bilder betrachtend, und im Halbschlummer hatte sie gedacht: ›Was für unnötige Traumgesichte!‹
Als die Morgensonne den Schacht erhellte und das Licht auf ihr Bett fiel, atmete Aëlita auf und wurde hellwach; jetzt lag sie unbeweglich. Ihre Gedanken waren klar, aber in ihrem Blut spürte sie noch eine dunkle Unruhe. Das war gar nicht gut, ganz und gar nicht gut.
›Unruhe des Blutes, Verfinsterung der Vernunft, unnötige Rückkehr zu vor langer – langer Zeit Durchlebtem. Unruhe des Blutes – das ist die Rückkehr in die Höhlen, zu den Herden, zu den offenen Feuern. Frühlingswind, Unruhe und Keimen. Gebären, Wesen für den Tod aufziehen, sie begraben und wieder Unruhe, die Qualen einer Mutter. Eine unnötige, blinde Verlängerung des Lebens.‹
So überlegte Aëlita, und ihre Gedanken waren weise, aber die Unruhe verging nicht. Da entstieg sie dem Bett, schlüpfte in die geflochtenen Morgenschuhe, warf einen Schlafrock über die nackten Schultern und ging ins Badezimmer; dort zog sie sich aus, drehte ihr Haar zu einem Knoten und stieg über eine kleine Marmortreppe hinunter in das Bassin.
Auf der untersten Stufe hielt sie inne: es war so angenehm, in einem Strahl des Sonnenlichtes, der durch das Fenster drang, zu stehen. Schwankende Schatten huschten über die Wand. Aëlita sah in das bläuliche Wasser und erblickte dort ihr Spiegelbild, ein Lichtstrahl fiel auf ihren Leib. Ihre Oberlippe zuckte angewidert. Da warf sich Aëlita in die Kühle des Bassins.
Das Bad erfrischte sie, die Gedanken kehrten zu den Sorgen des Tages zurück. Jeden Morgen sprach sie mit ihrem Vater – so war es eingeführt. Der kleine Spiegelschirm stand in ihrem Zimmer.
Aëlita nahm vor ihrem Toilettenspiegel Platz, brachte ihr Haar in Ordnung, rieb Gesicht, Hals und Arme erst mit einem aromatischen Fett, dann mit einer nach Blumen duftenden Essenz ein, betrachtete sich mit gerunzelten Brauen, schob das Tischchen mit dem Schirm und der Zifferntafel heran und schaltete ein.
In dem matten Spiegel erschien das vertraute Arbeitszimmer des Vaters; Bücherschränke, Kartogramme und Werkzeichnungen auf sich drehenden kantigen Pfeilern. Tuskub trat ein, setzte sich an den Tisch, schob mit dem Ellbogen die Schriftstücke beiseite und suchte mit den Augen Aëlitas Augen. Er lächelte mit einem Winkel seines langen, schmalen Mundes: »Wie hast du geschlafen, Aëlita?«
»Gut. Im Hause steht alles wohl.«
»Was machen die Söhne des Himmels?«
»Sie sind ruhig und zufrieden. Sie schlafen noch.« »Fährst du fort, sie in unserer Sprache zu unterrichten?« »Nein. Der Ingenieur spricht fließend. Sein Gefährte hat
genügende Kenntnisse.«
»Haben sie noch nicht den Wunsch, mein Haus zu verlassen?«
»Nein, nein, o nein.«
Aëlita hatte allzu rasch geantwortet. Tuskubs trübe Augen weiteten sich erstaunt. Unter seinem Blick wich Aëlita immer weiter zurück, bis ihr Rücken die Lehne des Sessels berührte. Der Vater sagte: »Ich verstehe dich nicht.«
»Was verstehst du nicht? Vater, warum sagst du mir nicht alles? Was hast du mit ihnen vor? Ich bitte dich….«
Aëlita sprach nicht zu Ende: das Gesicht Tuskubs hatte sich verzerrt, als sei das Feuer der Raserei darüber hinweggegangen. Der Spiegel erlosch. Aber Aëlita blickte noch
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