Aelita
wilden Tscha kamen aus den Sümpfen und zerrissen Kinder und Frauen. Die Spinnen webten ihre Netze um die leeren Hütten. Die Leichenfresser, die Ichi, wurden so fett, daß sie nicht mehr zu fliegen vermochten. Das Ende der Welt war nahe.
Da erinnerten sich die Aolen der Prophezeiung: ›Werde zum Schatten vor dem Bösen, armer Sohn des Tuma, und das blutige Auge des Himmelssohnes wird deinen Schatten vergebens durchbohren.‹ Viele Aolen gingen zum großen Geiser Soam. Viele gingen in die Berge und hofften dort, in den nebligen Schluchten, das vom Bösen reinigende Lied der Ulla zu hören. Viele teilten miteinander ihren Besitz. Sie suchten in sich selbst und untereinander das Gute und begrüßten das Gute mit Liedern und Tränen der Freude. In den Bergen von Lysiasira erbauten diejenigen, die an den Hirten glaubten, die Heilige Schwelle, unter welcher das Böse begraben lag. Drei Kreise nie verlöschender Feuer behüteten die Schwelle.
Die Heere der Aolen waren umgekommen. In den Wäldern waren die Spinnenfresser vernichtet worden. Die Überreste der Fischer an der Küste des Ozeans wurden Sklaven. Aber denen, die an den Hirten glaubten, taten die Magazitlen nichts zuleide, sie rührten nicht an die Heilige Schwelle, sie näherten sich nicht dem Geiser Soam und sie betraten auch nicht die tiefen Bergschluchten, denen um die Mittagsstunde der hindurchwehende Wind geheimnisvolle Töne entlockte – das Lied der Ulla.
So vergingen viele blutige und traurige Jahre.
Die Fremdlinge hatten keine Frauen; die Eroberer mußten sterben, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Und da erschien in den Bergen, wo die Aolen sich verbargen, ein Bote, ein Magazitl, und er war schön von Angesicht. Er war ohne Helm und Schwert. In der Hand hielt er einen Stab mit einem daran gebundenen Fadengespinst. Er näherte sich den Feuern der Heiligen Schwelle und sprach zu den Aolen, die aus allen Schluchten zusammengekommen waren: ›Mein Kopf ist ungeschützt, meine Brust entblößt – tötet mich mit dem Schwert, wenn ich eine Lüge sage. Wir sind mächtig. Wir beherrschten den Stern Talzetl. Wir haben den Sternenweg durchflogen, den man die Milchstraße nennt. Wir haben uns den Tuma unterworfen und die uns feindlich gesinnten Stämme vernichtet. Wir haben angefangen, Wasserbehälter und große Kanäle zu bauen, um darin das Wasser zu sammeln und die bis dahin unfruchtbaren Ebenen des Tuma zu bewässern. Wir werden die große Stadt Soazera erbauen, das bedeutet Sonnenstätte, wir werden allen das Leben geben, die das Leben wollen. Aber wir haben keine Frauen, und wir müssen sterben, ohne die Bestimmung erfüllt zu haben. Gebt uns eure Jungfrauen, und wir werden mit ihnen einen mächtigen Stamm zeugen, und er wird die Kontinente des Tuma bevölkern.‹
Der Bote legte den Stab mit dem Gespinst am Feuer nieder und setzte sich mit dem Gesicht zur Schwelle. Seine Augen waren geschlossen. Und alle sahen auf seiner Stirn das dritte Auge, es war bedeckt von einem dünnen Häutchen und sah wie entzündet aus.
Die Aolen berieten sich und sprachen untereinander: ›In den Bergen reicht das Futter nicht für das Vieh, und es ist wenig Wasser vorhanden. Im Winter erfrieren wir in den Höhlen. Die starken Winde tragen unsere Hütten fort in die bodenlosen Schluchten. Laßt uns dem Boten gehorchen und an unsere heimischen Herde zurückkehren.‹
Und die Aolen zogen aus den Schluchten der Berge in die Ebene von Azora, die Herden der Chaschi trieben sie vor sich her. Die Magazitlen nahmen die Jungfrauen der Aolen und zeugten mit ihnen den blauen Stamm der Gor. Zur selben Zeit wurde mit der Errichtung von sechzehn gigantischen zirkusartigen Bauten, den Ro, begonnen, in denen sich das Wasser während der Zeit der Schneeschmelze an den Polen sammelte.
Neue Siedlungen der Aolen erstanden aus der Asche. Die Felder gaben reiche Ernten.
Die Mauern Soazeras wurden gebaut. Beim Bau der Wasserbehälter und der Mauern verwandten die Magazitlen gigantische Hebemaschinen, die mittels erstaunlicher Mechanismen in Bewegung gesetzt wurden. Kraft ihres Wissens waren die Magazitlen imstande, große Steine von einem Ort zum anderen zu bewegen und das Wachstum der Pflanzen hervorzurufen. Mit farbigen Flecken und Sternenzeichen zeichneten sie ihr Wissen in Büchern auf.
Als der letzte Fremdling von der Erde starb, ging mit ihm auch das Wissen verloren. Erst nach zwanzig Jahrtausenden war es uns, den Nachkommen des Stammes Gor, wieder möglich, die geheimen Bücher der Atlantiden
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