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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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stand.
    Sebastian hatte seinen Platz im Halbkreis wieder eingenommen, nur wenige Schritte von Anna entfernt, die doch unerreichbar blieb, als hilflose Beobachterin vom Geschehen getrennt. Während sich Raffaeles krumme Finger in die Membran bohrten und die Barriere zwischen den Welten nachzugeben begann, trat Yvonne zu Sebastian; ihre Augen hatten noch immer diesen eiskalten Blick.
    »Gib es mir«, sagte sie, und er wusste nicht, welche Sprache sie dabei benutzte.
    Sebastians Aufmerksamkeit galt weiterhin der Hand des Jungen. Dünne Frakturlinien bildeten sich in der Membran aus, wie Haarrisse in gesprungenem Glas. Ein Grollen kam aus der Ferne, nicht nur aus der anderen Welt, sondern auch von diesseits der Barriere, das in die Länge gezogene Donnern
eines gewaltigen schlagenden Herzens. Und wie ein gewöhnliches Herz Blut durch die Adern eines lebenden Organismus pumpte, saugte dieses Herz die von den Nephilim gesammelte Energie an, nahm die Kraft durch Raffaele auf und leitete sie dorthin, wo ein Tunnel entstand, eine neue Verbindung zwischen zwei Teilen einer Welt, die einst zusammen mit einem dritten Teil eine Einheit gebildet hatten. Dreieinigkeit, dachte Sebastian, und damit erschloss sich ihm die wahre Bedeutung dieses Begriffs.
    »Gib es mir«, wiederholte Yvonne und streckte die Hand aus.
    »Ich verstehe nicht …«
    »Das Medaillon«, sagte Yvonne, ohne dass sich ihre Lippen bewegten.
    Dafür bewegte sich Sebastians Hand. Sie griff in die andere Tasche und holte das Medaillon hervor, das Anna und er von Anatoli erhalten hatten. Er hielt es hoch, ins Licht, das von den beiden Säulen ausging. Das Medaillon schien ihr Glühen einzufangen …
    In Yvonnes eisigen Augen blitzte es - Sebastian fragte sich, ob er dort für einen Sekundenbruchteil Furcht gesehen hatte. Rasch ergriff sie das Medaillon, hielt es für einen Moment in der geschlossenen Hand, holte dann aus und …
    Ein Brausen ging durch die Kaverne, und aus dem Augenwinkel sah Sebastian, wie etwas an Annas schwarzem Haar zerrte. Direkt vor Raffaele hatte sich ein Riss in der Membran gebildet; Wind wehte aus dem Ödland, und Bewegung kam in die Masse der wartenden Geschöpfe.
    Yvonne warf das Medaillon in den dunklen Bereich der Höhle.

    Im gleichen Augenblick erklang eine scharfe Stimme auf Französisch. Sebastian wunderte sich nicht darüber, dass er die Worte verstand.
    »Keine Bewegung! Niemand rührt sich!«
    Bewaffnete kamen durch eine Lücke zwischen den Felsen, nicht weit von der langen, steilen Treppe entfernt. Sie trugen Kampfanzüge, bis auf einen Mann in Zivil am Ende der Kolonne: um die fünfzig, schlank, das Haar dicht und dunkel.
    Zwei oder drei Sekunden blieben Yvonne und die anderen tatsächlich reglos stehen, und auch Raffaele vor der Membran verharrte, den Kopf zur Seite gedreht - selbst die Geschöpfe auf der anderen Seite zögerten. Dann öffnete Simon Krystek den Mund und schrie, wie zuvor in den Katakomben, und von einem Augenblick zum anderen herrschte Chaos. Gestein löste sich von der hohen Decke, und unsichtbare Hände schleuderten es den Bewaffneten entgegen.
    Automatische Waffen ratterten.
    Kugeln rasten durch die Höhle, und Sebastian sah sie alle, jede einzelne. Eine prallte von einem Felsvorsprung ab, wirbelte dabei eine kleine Staubwolke auf und flog weiter, genau auf Anna zu.
    Er reagierte instinktiv, so wie im Reval Hotel Latvija in Riga. Ohne einen bewussten Gedanken war er an Yvonne vorbei, sprang zu Anna und riss sie mit sich zu Boden.
    Ein wuchtiger Stoß traf ihn, und etwas Heißes fraß sich durch seinen Leib, blieb in einem Lungenflügel stecken. Das Atmen fiel ihm plötzlich schwer.
    »Bastian!«, entfuhr es Anna, als sie sah, dass er getroffen war.
    »Bleib … liegen!«, stieß er hervor und versuchte aufzustehen. »Halt den Kopf … unten!«

    Die Kugel in seiner Lunge löste sich bereits auf, und er bekam wieder Luft. »Nicht schießen!«, rief er. »Sie könnten Anna treffen!«
    Doch es drangen keine Worte aus seinem Mund. Was die Lippen verließ, war ein für Menschen völlig unverständliches Zischen und Fauchen, wie von Wind, der sich einen Weg durch schmale Felsspalten suchte. Rasch packte er Anna und zog sie aus der Schusslinie, neigte dabei den Kopf ein wenig zur Seite, um einer Kugel auszuweichen, die nur wenige Zentimeter entfernt an seiner Schläfe vorbeizischte, mit der Geschwindigkeit einer Wespe und mit dem Brummen einer Hummel, gefolgt von einem grauen Luftwirbel. Er zog Anna noch etwas

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