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Aeon

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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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einen nächsten gegen Ende der Liste, den sie mit ungefähr sechsundachtzig geschrieben hatte – schreiben würde. »Verboten.«
    »Warum sind meine Arbeiten verboten?«, fragte sie ärgerlich.
    Der Morgenstern war die einzige Antwort.
    »Warum wird dieser Datenservice zensiert?« Mit einem Mal hatte sie das schaurige Gefühl, dass sie nicht mehr allein war im Zimmer. »Olmy? Licht an!« Es wurde hell. Keine Antwort.
    Sie stand auf und sah sich langsam um; ihr ganzer Rücken verspannte sich.
    Dann sah sie den Eindringling, der unter der Decke schwebte: ein graues, fußballähnliches Etwas mit einem Gesicht mittendrin. Im ersten Moment erwiderte sie einfach das Starren des Gesichts. Es schien männlich zu sein, hatte kleine, dunkle Schlitzaugen und eine flache Nase. Sein Ausdruck war kaum drohend, höchstens ungemein neugierig.
    Patricia wich gegen die Wand zurück. Das Gesicht rührte sich nicht von der Stelle, aber die Augen folgten ihr aufmerksam.
    »Wer bist du?«, fragte sie. Symbole erschienen im Raum, die sie nicht verstand. »Ich kann nicht piktographieren«, sagte sie. »Bitte, was willst du hier?«
    »Stimmt, ich habe hier nichts verloren«, sagte das Gesicht. Es senkte sich einen Meter und wurde blassrosa wie die Morgendämmerung. »Aber ich bin ja selber nur eine Ikone. Hab doch keine Angst.«
    »Du machst mir Angst. Wer bist du?«
    »Ich bin von City Memory. Ein Schelm.«
    »Ich kenn dich nicht«, sagte sie. »Bitte geh jetzt!«
    »Ich kann dir nichts tun. Dich höchstens belästigen. Ich brauch nur ein paar Antworten von dir.«
    Die Kugel senkte sich und nahm Gestalt an wie ein Vampir in einem alten Horrorfilm, männliche Gestalt mit weitem weißem Hemd und lindgrüner Hose. Die Gestalt schien sich zu verfestigen. Im Raum stand schließlich ein schmächtiger Mann von kaum mittlerem Alter mit langem schwarzem Haar und müdem, hagerem Gesicht. Patricias Herz schlug wieder langsamer, und sie rückte allmählich ein paar Zentimeter von der Wand ab.
    »Ich rühme mich meiner Taten«, sagte das Phantom. »Ich habe Zugang zu allerbesten Aufzeichnungen, vergessenen Aufzeichnungen nämlich. Da ist ein ganz schönes Durcheinander in den unteren Etagen des Stadtgedächtnisses. Da fand ich nun ein eingestelltes Verfahren. Schwerer Fall von Gefährdung der Defektsicherheit. Verschiedene Angaben führten mich hierher … Subtile Verbindungen, muss ich zugeben, aber höchst reizvoll.«
    Die Gestalt kam ihr bekannt vor, als hätte sie sie schon einmal gesehen. »Und was tust du hier?«
    »Ich bin ein Schelm. Ein an sich recht brutaler, auch wenn ma n’s mir nicht ansieht. Ich geh, wohin ich will, und solange ich vorsichtig bin, halt ich mich. Ich bin nicht inkorporiert seit nunmehr hundertfünfzig Jahren und angeblich zu inaktiver Erinnerung verurteilt. Natürlich ist nur eine Kopie von mir inaktiviert. Manchmal werde ich für diverse Jobs angeheuert. Für gewöhnlich duelliere ich mich mit anderen Schelmen. So habe ich schon sechzig niedergestreckt. Tödliches Spiel.«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet.« Patricia war nun den Tränen nahe. Sie kam einfach nicht darauf, an wen der Schelm sie erinnerte. »Lass mich in Ruhe! Ich muss nachdenken.«
    »Ein Schelm ist kein Ausbund von Höflichkeit. Du erregst viel Aufmerksamkeit in Axis Nader. Allerdings habe ich deinen Aufenthalt erst herausgefunden, als du eben den Datenservice verwendet hast. Ein Taster hat dich aufgespürt – so ziemlich der beste, den ich habe. Schnüffelt ständig.«
    »Bitte!«, flehte Patricia die Wohnung an, »schmeiß ihn hinaus!«
    »Es hilft nichts«, meinte der Schelm. »Woher kommst du?«
    Patricia gab keine Antwort. Sie rückte langsam zur Schlafzimmertür.
    »Ich habe den Auftrag herauszufinden, woher du stammst. Als Lohn habe ich Vorteile gegenüber einem alten Gegenspieler eingeräumt bekommen. Ich verschwinde also erst, wenn du mir Antwort gibst.«
    »Wer hat dich beauftragt?«, schrie Patricia, die es nun wirklich mit der Angst zu tun bekam.
    »Tja … Ich spreche Englisch, eigentlich Amerikanisch des zwanzigsten Jahrhunderts. Das überrascht. Nur die eingefleischtesten Ameriphilen beherrschen diese Sprache so perfekt wie du. Aber warum sollte sich jemand für eine Ameriphile interessieren?« Das Phantom folgte ihr ins Schlafzimmer. »Ich werde freilich nicht für Mutmaßungen bezahlt. Also raus mit der Sprache!«
    Patricia lief zur Wohnungstür und befahl ihr, sich zu öffnen. Sie blieb zu. Patricia schluckte schwer und wandte

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