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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sich wieder dem Phantom zu – entschlossen, Ruhe zu bewahren. »Was … was krieg ich dafür?«, sagte sie. »Wenn ich’s dir sage?«
    »Vielleicht können wir ins Geschäft kommen.«
    »Lass mich nur eben hinsetzen!«
    »Aber gern. Grausam bin ich auch wieder nicht.«
    »Du bist ein Geist«, stellte sie fest.
    »Mehr als die Geister, die einem normalerweise über den Weg laufen«, erläuterte das Phantom.
    »Wie heißt du?«
    »Gar nicht. Ich hab eine Spur, aber keinen Namen. Und du?«
    »Patricia.«
    »Ein ungewöhnlicher Name.«
    Plötzlich fiel ihr ein, an wen das Gesicht sie erinnerte. Allerdings tat sie den Gedanken als lächerlich ab. »Ich bin eine echte Amerikanerin«, sagte sie.
    »Wie viel Prozent? Die meisten sind schon glücklich, wenn sie drei oder vier Prozent in Ansatz bringen können, obwohl das statistisch gesehen nur eine Farce ist …«
    »Hundertprozentig. Ich bin geboren in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Kalifornien. Santa Barbara.«
    Das Phantom wackelte. »Hab nicht viel Zeit, Patricia Luisa Vasquez. Was du sagst, klingt – für sich betrachtet – unsinnig, aber du scheinst davon überzeugt zu sein. Wie kommt’s, dass du so unbedarft und primitiv aufgewachsen bist?«
    »In meiner Heimat – und meiner Zeit …« – sie atmete tief durch – »… ist das praktisch die einzige Alternative.« Sie legte den Kopf schräg. »Ich kenne dich«, sagte sie. »Du siehst aus wie Edgar Allan Poe.«
    Das Phantom reagierte überrascht. »Sieh mal einer an! Dass dir das auffällt! Hast du Poe gekannt?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Patricia, die sich trotz ihrer Angst darüber amüsierte. »Ich habe ihn gelesen. Er ist tot.«
    »Ich habe ihn zu meinem Mentor gewählt. Was für ein Geist!« Das Phantom umgab sich im Schnelldurchlauf mit Friedhofsgestalten, lebendig Begrabenen, Schiffen im Sturm und Eismeer. »Patricia Luisa Vasquez kennt Poe. Behauptet, eine Amerikanerin aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert zu sein. Ist ja toll!
    Ich muss gleich gehn. Frag mich, was du wissen willst, denn ich habe auch noch eine Frage an dich.«
    »Was werden sie mit uns machen?«, fragte sie.
    »Uns? Seid ihr mehrere?«
    »Fünf insgesamt. Was werden sie mit uns machen?«
    »Das weiß ich wirklich nicht. Ich werde versuchen, das herauszufinden. Nun zu meiner letzten Frage für dieses Mal. Warum bist du so was Besonderes für sie?«
    »Aufgrund dessen, was ich eben sagte.« Zu ihrem Erstaunen war ihre Angst wie weggepustet. Der Schelm oder Geist oder was immer schien zur Zusammenarbeit bereit, und Patricia sah sich nicht veranlasst, ihren Kidnappern gegenüber auch noch loyal zu sein.
    »Wir können einander helfen, denke ich. Weißt du, dass dein Datenservice eine Sperre hat. Sie halten dich hier fest und filtern deinen Datenzugriff. Wenn du ihnen sagst, dass ich hier war, werde ich vielleicht nicht wiederkommen und deine Fragen beantworten können. Denk daran! Bis demnächst«, sagte der Schelm und verschwand. Plötzlich fand das Apartment die Sprache wieder.
    »Ser Vasquez, ist alles in Ordnung? Es lag eine Störung vor …«
    »Hab ich gemerkt.«
    »Könnten Sie die Störung kurz beschreiben?«
    Sie biss sich auf die Fingerknöchel und schüttelte dann den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Es war weiter nichts.« Das Phantom hatte sie erschreckt – aber andererseits mit einer Reihe von interessanten Dingen aufgewartet. Dass der Zwischenfall ein gestelltes Experiment war, um sie zu testen, bezweifelte sie stark. Der Schelm könnte sich als nützliche Informationsquelle erweisen … »War wohl ’n Kurzschluss oder so was in deiner Schaltung, schätze ich.«
    Der Raum brauchte ein paar Sekunden bis zur Antwort. »Eine Reparatur wird nötigenfalls veranlasst. Haben Sie einen Wunsch?«
    »Nein, danke«, sagte Patricia. Sie blickte skeptisch zum Piktor und biss sich wieder auf die Fingerknöchel.

49
    Der Präsidierende Minister des Infiniten Hexamon Nexus, Ilyin Taur Ingle, residierte in einem der sechs breiten Ventilationsschächte der Central City, die von tiefem Wald bedeckt waren. Olmy hatte nie den Wunsch gehabt, ein urtümliches Heim zu bewohnen, beneidete aber nichtsdestoweniger den P. M. um sein Quartier. Es herrschte eine beschauliche, friedliche Atmosphäre im Wald, und die Wohnungen selbst waren fantasievolle Prachtbauten.
    Die sechs Schächte verliefen von den äußersten Facetten der Central City zu den regelnden Sphären im Kern des Komplexes. In jedem Schacht lebten bis zu zehntausend

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