Aeon
neues Tor geöffnet wird.«
Lanier stand langsam auf und kniff sich in den Nasenrücken. »Nun gut«, sagte er. »Wir sind bekannt und werden nun für Propagandazwecke eingesetzt. Wir werden Jahre brauchen, um es hier zu was zu bringen – falls überhaupt, da wir keine Transplantate haben. Immerhin zeigt ihr uns mehr als bisher. Wir sind keine unbedarften Vertreter des prämortalen Homo sapiens mehr.« Er machte eine unschlüssige Pause. »Aber …«
»Ihr werdet mit meinen Erklärungen nie ganz klarkommen«, unterbrach Olmy. »Auch wenn ihr viel von dem, was wir euch sagen, begreift, gibt’s zu allem einen Untertext, den ihr nicht verstehen könnt. Wie ihr merkt, habe ich nicht um euer Vertrauen gebeten. Das wäre eine unangemessene hohe Forderung. Aber in diesem einen Punkt können wir einander enorm behilflich sein. Ihr wollt mit euren Leuten Verbindung aufnehmen – und der Nexus muss endlich kapieren, was eure Anwesenheit bedeutet und nach sich zieht. In den nächsten Tagen werdet ihr mehr über den Weg erfahren und unsere Mission hier – mehr als die Datensäule euch hätte sagen können. Ich begleite euch, und Suli Ram Kikura und ich werden alles in unsrer Macht Stehende tun, um euren Fall günstig zu entscheiden – zum einen, weil es nur gerecht ist, und zum anderen, weil ich glaube, dass dem Nexus auch dient, was euch dient.«
Lanier schaute zu den anderen vier, wobei sein Blick bei Farley und schließlich Patricia verweilte. Farley lächelte ermutigend; Patricias Ausdruck war weniger eindeutig.
»Wir sind bereit, in einem vernünftigen Rahmen für genau sieben Tage mit euch zu kooperieren«, erklärte Lanier. »Falls nicht sichtbar ist, dass unseren beiderseitigen Interessen gedient wird, und falls uns die Kommunikation mit der Thistledown nicht gestattet wird, verweigern wir jede Zusammenarbeit. Ich weiß nicht, inwiefern das eine Drohung für euch ist«, fuhr er fort, wobei er tief Luft holte. »Immerhin ist uns bekannt, dass ihr computererzeugte Doppelgänger von uns produzieren und zu allem missbrauchen oder gar identische Androiden herstellen könnt. Aber das ist unsere Position.«
»Einverstanden«, meinte Olmy. »Sieben Tage.«
Olmy und Ram Kikura zogen sich zurück. Heineman schüttelte langsam den Kopf und schaute zu Lanier. »Und?«
»Wir studieren erst mal weiter«, sagte Lanier, »und warten den rechten Augenblick ab.«
Hoffman stand vor dem kleinen Spiegel in ihrem »Kabäuschen«, wie sie ihr Zimmer im Frauenbungalow mittlerweile nannte. Sie stellte fest, dass sie gar nicht so schlecht aussah. In den letzten Tagen hatte sie besser geschlafen.
Die Selbstmordrate hatte abgenommen; ihre Leute – das waren für Hoffman sowohl die Militärpersonen als auch Zivilisten – schienen sich mit ihrem Los abzufinden und schmiedeten schon Pläne, das Shuttle und einige der russischen Schwertransporter instandzusetzen, um vielleicht zum Mond zu trekken. Hie und da wurde sogar von einer Expedition zur Erde geredet; Gerhardt und Rimskaya waren in dieser Richtung führend.
Rimskaya hatte sich erstaunlich rasch von seinem »Ausfall«, wie er das nannte, erholt; die Sache war ihm sehr peinlich gewesen, und er hatte paradoxerweise verlangt, dass man aufhöre, so verständnisvoll zu sein. »Seid so streng mit mir, wie ic h’s mit euch wäre!«, hatte er gefordert.
Hoffman übertrug ihm die Logistik. Als schulmeisterlich strenger Verwalter der Versorgungsproblematik würde er ihr diese Sorge abnehmen. Rimskaya schien unter der neuen, arbeitsintensiven Aufgabe geradezu aufzublühen.
Die Hauptsorge war derzeit das Schicksal der Röhrengleiterexpedition.
Mit der Rückkehr von Mirski und dem Verschwinden der drei politischen Offiziere gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Russen immer einfacher. Dann war da noch das Problem des Frauenmangels: Es hatte zwei Vergewaltigungen und einige Vergewaltigungsversuche gegeben. Viele Soldaten – sowohl der NATO als auch der Sowjets – hatten kleine Waffen gespendet für die Frauen; sie hatten davon noch keinen Gebrauch machen müssen.
In einer Stunde war Hoffman mit Mirski in der vierten Kammer verabredet. Es war ihr zweites Treffen seit seiner Rückkehr, und die Themenliste war lang, enthielt aber keine unüberwindlichen Probleme.
In Begleitung von Beryl Wallace und zwei Marines fuhr sie mit der Bahn von der ersten zur vierten Kammer, wo sie im NATO -Lager in einen Laster umstiegen. Das russische Lager hatte sich während Mirskis Abwesenheit auf drei
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