Aeon
leichten Kurve und hielt dann mitten in der Straße an. Er deutete auf ein großes, umbrabraunes Gebäude am nördlichen Rand der Grünfläche. »Das ist eine der Bibliotheken – eine der beiden, die wir derzeit untersuchen. Die anderen sind zu.«
Patricia knabberte an ihrer Unterlippe. »Sollte ich jetzt aufgeregt sein?«, fragte sie.
»Schon. Ich wär’s.«
»Ich meine, es ist wie …« Sie schüttelte den Kopf. »Was soll ich da drin? Ich bin Mathematiker, kein Ingenieur oder Historiker.«
»Glaub mir, keiner wird willkürlich in die Bibliothek geführt. Du hast Qualifikationen wie niemand sonst. Du hast auf einem Gebiet ohne praktische Anwendung gearbeitet – bis jetzt.«
»Ich ge b’s auf zu fragen«, erklärte Patricia mit einem Seufzer. »Ich weiß nicht mal, was ich fragen sollte.«
Das Gebäude war mit elektronischen Sensoren umgeben. Maschendrahtzaun mit brutalen Stacheldrahtschlingen obenauf verlieh der eher sanften Gewalt der Sensoren und Kameras Nachdruck. Vier Posten standen vor dem Eingang Wache, die strenge Mienen machten und bewaffnet waren mit Apples – Antipersonenlaser. Als Lanier und Vasquez heranfuhren, ertönte eine Lautsprecherstimme. »Mr. Lanier, anhalten, Kontrolle. Wer ist das in Ihrer Begleitung?«
»Patricia Vasquez«, antwortete er. »Registriert im wissenschaftlichen Team, angemeldet von General Gerhardt.«
»Korrekt. Näher treten und ausweisen!«
Sie stiegen aus und gingen zum Tor. »Den Stacheldraht und die Sensoren brachten wir vor zwei Jahren von der Erde hoch«, sagte Lanier, »als uns klar wurde, was in dem Gebäude steckte.«
Sie zeigten ihre Ausweise und legten die Hände auf eine Platte, die eine Frau in Schwarz und Grau hinhielt. Nachdem sie überprüft waren, betraten sie den abgesperrten Bereich.
Auch hier waren die Fenster im Erdgeschoss geborsten. Es waren keine Pläne und Wegweiser zu entdecken, aber dennoch herrschte die typische Bibliotheksatmosphäre – allerdings wieder mit jener künstlichen Antik-Prägung. Im Innern war das Gebäude dunkel und menschenleer.
»Die Wachleute draußen können das Gebäude nicht betreten, nur spezielle Schutzkräfte – in schwarz-grauer Uniform. Es ist drinnen jemand rund um die Uhr vor einem Monitor auf Posten – das ist die Stimme, die wir hörten.«
»Sehr aufwendig«, kommentierte Patricia.
»Notwendig.«
Eine floureszierende Lichtleiste, die in angeschraubter Halterung von der Decke hing, leuchtete auf. Nacheinander schal teten sich weitere Leisten an und markierten so den Weg durchs Erdgeschoss zum zentralen Treppenhaus.
»Wir haben tragbare Generatoren an vier Stellen in Alexandria aufgestellt«, erklärte Lanier, als sie dem beleuchteten Weg folgten. Der Fußboden war glatt und staubig und wies verschiedene Fußspuren auf. »Die Stromversorgung der Stadt ist größtenteils unterbrochen. Wir haben die Stromquellen noch nicht entdeckt, die aber keine Überraschung darstellen dürften. Der Stein selbst scheint einen konzentrierten Energievorrat in supragekühlten Batterien zu besitzen.«
Patricia runzelte die Stirn. »Batterien?«
»Wie die Hundert-Meter-Zellen in Arizona und im Greater African Conservatory.«
»Oh.« Praktische Physik war nicht ihre Stärke, aber davon sollte Lanier nichts mitbekommen.
»Ansonsten sind die elektrischen Systeme recht konventionell. Steuer- und Informationskanäle sind optisch, mehr als daheim auf der Erde. Die Häuser sind dunkel, weil die meisten Sicherungen – oder was immer diese Funktion erfüllt – rausgeflogen sind und wir sie nicht wieder einschalten, bis die Frage der Brandgefahr geklärt ist.«
»Warum sind die Scheiben zertrümmert?«, fragte Patricia, als sie über die Treppe nach oben gingen.
»Glas wird mit der Zeit spröde und schrumpft. Atmosphärische Druckerhöhungen bringen die Scheiben zum Bersten.«
»Wetter?«
»Gewissermaßen. Es gibt Hoch- und Tiefdrucksysteme in den Kammern, Aufwinde und Coriolis, Abwinde an den Kappen. Sogar Gewitter; Schnee in einigen Kammern, aber sel ten. Die meisten Vorgänge scheinen kontrolliert abzulaufen, ob wohl wir noch nicht wissen, ob die Kontrollen eingebaut oder konstant verankert oder nach wie vor irgendwo leistungsfähige Maschinen am Werke sind.«
In den düsteren Hallen unter den Lichtfeldern im zweiten Geschoss sah sie mannshohe Metallzylinder, die in Reih und Glied aufgestellt waren und im Dunkeln verschwanden.
»Seit einem Jahr zapfen wir diese Datenbanken an«, berich tete Lanier. »Da uns die
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