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Aeon

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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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verstehen, wieder abgeschieden wird.«
    »Und was soll das?«
    »In der ursprünglichen Planung des Steins war in der sechsten Kammer noch eine Stadt gedacht. Aber die Erbauer hatten festgelegt, dass der Stein nur mit drei Prozent g beschleunigt werden könne. Unmittelbar vor Ausstattung des Steins – und vor Abschluss der Aushöhlungsarbeiten – fanden sie eine Möglichkeit, den Stein bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit zu beschleunigen. Die Methode dahinter war aufwendig und teuer, schenkte dem Stein allerdings eine Flexibilität, auf die man nicht verzichten wollte. Folglich wurde die sechste Kammer ausgestattet mit einer Maschinerie zur selektiven Dämpfung des Massenträgheitseffekts, die einen kleinen Teil dessen ausmacht, was wir hier sehen.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf das Bild hinter den Scheiben. »Deshalb sind die Böden der Kammern nicht geneigt, sind die Teiche und Flüsse nicht gegen das Überschwappen geschützt. Ist ja auch nicht notwendig. Die sechste Kammer kann gezielt den Trägheitseffekt von jedem Ding im Stein puffern. Insgesamt hebt sie die Wirkung der Beschleunigungs- und Bremsvorgänge des gesamten Schiffs auf. In kleinem Rahmen dämpft sie den Trägheits effekt in den Zügen. Sie reguliert sich selbsttätig, obwohl wir noch kein ›Gehirn‹ entdeckt haben.«
    Regen prasselte aufs gläserne Dach. Lanier betrachtete die hüpfenden, perlenden Tropfen.
    »Mittlerweile wurde die Maschinerie verfeinert und erweitert. Einst beanspruchte sie ungefähr drei Quadratkilometer, während der Rest der Kammer genutzt wurde von Industrie und Forschung, wofür es in den Städten keinen Platz gab. Nun versorgt sie auch die siebte Kammer.«
    Vier Personen in gelbem Regenzeug näherten sich dem Kanal entlang dem Bahnhof. Ihren Laster hatten sie ein paar Meter dahinter auf einer erhöhten Straße geparkt.
    »Unser Empfangskomitee«, sagte Lanier. Sie gingen zum Treppenabsatz. Im Treppenhaus staute sich kalte Luft, und Patricia fröstelte, als ihr bei einem Windstoß draußen ein kühler Luftzug entgegenschlug. Der Regen prasselte aufs Dach. Zwischen den Rinnsalen auf dem Glas und durch ein Loch in den Wolken sah Patricia die gegenüberliegende Nordkappe. Alle anderen Kappen waren buchstäblich blank und leer. Diese aber wies eine Reihe von Rechtecken auf, die in gleichmäßigen Abständen wie eine steile Treppe verliefen. An der Vorderseite eines jeden Quaders haftete ein elliptisches Gebilde. Die Quader schätzte sie auf mindestens einen Kilometer Breite und die Ellipsen auf einen halben Kilometer Achslänge. Derjenige, der als Erster der vier Personen oben an der Treppe ankam, schob seine Regenkapuze zurück. Patricia blickte in das rötliche, bärtige Gesicht ihres ehemaligen Professors mit den kleinen, verkniffenen Augen, als hegte er einen alten Groll. Rimskaya war genauso, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Er erwiderte mit gewisser Reserviertheit ihren Blick und nickte dann Lanier zu. Hinter ihm zogen eine große, blonde Frau mit ebenmäßigen Zügen und zwei Chinesen, ein Mann und eine Frau mit grünen Mützen, ihre Regenkleidung aus und schüttelten das Wasser ab.
    Rimskaya trat vor Patricia; sein ganzes Gebaren verriet Geringschätzung, wenn nicht Ekel. »Miss Vasquez«, sagte er. »Ich hoffe, Sie sind dem hier gewachsen und blamieren mich nicht.«
    Patricia öffnete und schloss den Mund wie ein Karpfen und fing dann übertrieben laut zu lachen an. »Das hoffe ich auch, Professor!«
    »Nehmen Sie’s ihm nicht übel«, sagte die blonde Frau, die eine wohlklingende, tiefe Stimme mit leicht britischem Akzent hatte. »Er hat in den letzten Monaten nur positiv von Ihnen gesprochen.« Sie klemmte ihre Mütze unter den Arm und begrüßte Patricia mit einem kräftigen Händedruck. »Ich bin Karen Farley, das ist Wu Gi Me und das Chang i Hsing.« Chang lächelte übers ganze Gesicht; ihr glattes schwarzes Haar hing bis zu den Augen in die Stirn, wi e’s derzeit Mode war in China. »Wir sind von der Technischen Universität Beijing.«
    Rimskaya musterte Patricia aus seinen verkniffenen grauen Augen. »Sie sind gesund, nicht raumkrank, nicht überreizt?«
    »Mir fehlt nichts, Professor«, antwortete sie.
    »Gut. Dann kümmert euch mal um sie!«, sagte er, an Farley, Wu und Chang gewandt. »Ich werde in die erste Kammer gehen, Pause machen. Vielleicht ’ne Woche oder länger.« Er drückte Lanier flüchtig die Hand. »Bin müde«, sagte Rimskaya. »Nicht zuletzt deshalb, weil ich mir nicht

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