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Aeon

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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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erklären kann, was das alles bedeutet. Ich war nie besonders fantasievoll, und dieser Stein …« Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht liegt er Ihnen mehr, Miss Vasquez.« Damit verbeugte er sich steif vor den Kollegen, nahm seine Regenkleidung und ging zum Bahnsteig hinunter.
    Patricia sah ihm verdutzt nach. »Ich beneide ihn … ein bisschen«, sagte Wu in astreinem kalifornischem Englisch. Er war ungefähr gleich groß wie Patricia und leicht pummelig, hatte einen soldatischen Kurzhaarschnitt und kindliche Züge. »Ich habe in letzter Zeit einiges von Ihnen gelesen, Miss Vasquez.«
    »Patricia, bitte.«
    »Geht über meinen Horizont, fürchte ich. Chang und ich sind Elektroingenieure. Karen ist Physikerin.«
    »Theoretische Physik«, sagte Farley. »Es ist mir eine übergewöhnlich große Freude …«
    »Außergewöhnlich«, verbesserte Lanier. »Ja.« Farley lächelte über das erstaunte Gesicht, das Patricia machte. »Ich bin auch Chinesin. Meistens kann ich die Leute darüber hinwegtäuschen. Also bitte korrigieren, wenn ich mich verspreche.«
    Patricia blickte skeptisch von Gesicht zu Gesicht. Neue Leute kennenlernen und Gesellschaft pflegen, das alles überforderte sie im Moment noch.
    »Wir begleiten Patricia in die siebte Kammer«, sagte Lanier. »Aber vielleicht möchte sie sich vorher noch ein bisschen ausruhen hier.«
    »Nein.« Patricia schüttelte energisch den Kopf. »Ich wil l’s gleich wissen.«
    »Das ist eine Frau«, sagte Farley. »Selbstmörderische Verbissenheit. Das bewundere ich. Chang hat’s auch. Gi Me – wir nennen ihn Lucky – ist allerdings eher der bequeme Typ.«
    »Sie und Professor Rimskaya sind die reinsten Sklaventreiber«, sagte Chang. Im Gegensatz zu Wu und Farley hatte sie einen deutlich fremdländischen Akzent. Nun holte sie zwei verpackte Regenmäntel aus ihrer Tasche und reichte sie Patricia und Lanier. Rasch zogen sie sich an und verließen ihren Unterstand.
    Die Luft war frisch und roch nach Regen, nach Ozon und Metall. Regenschauer und Schneegestöber hatten aufgehört; es nieselte nur noch. Wasser lief von den schrägen Metallwänden unter der erhöhten Straße, strömte in die Abwasserschächte und sammelte sich weiter unten in einem Becken. Patricia warf einen Blick in das Becken mit seinem trichterförmigen Abzug, der sich in dunkler Tiefe auflöste.
    Der Laster auf der Fahrbahn war ein ähnliches Modell wie derjenige in der ersten Kammer. Von Farley wurde Patricia wiederum der Beifahrersitz zugewiesen, während die anderen hinten einstiegen, wobei sie die Kisten mit eingepacktem wissenschaftlichem Gerät zur Seite schoben. Farley startete den Wagen und gab Gas.
    Die Straße wurde breiter und wand sich durch Tankanlagen und graue Gebilde, die der rasch aufziehende Nebel verschluckte. Wu beugte sich zwischen die Vordersitze. »Dieses Zeug sieht aus wie Asphalt, ist aber keiner. Es ist ein Asteroidgestein, dem die Metalle entzogen sind; dann wird’s gemahlen und mit pflanzlichen Ölen angerührt. Wird sehr zäh, bricht und reißt nicht. Mal sehen, wer es patentieren lässt.«
    Irgendwie wirkte die öde Umgebung belebend auf Patricia. Der Nebel hatte einen Stich ins Blaue, der ihr das Gefühl gab, in einem Saphir zu sitzen. Es fing wieder zu regnen an, und das Trommeln der Tropfen auf dem Autodach vermittelte zusammen mit dem sanften Strom der Heißluft aus der Heizung ein gewisses Gefühl der Geborgenheit und machte die Sache nicht aufregender, als würde man sich ein unterhaltsames Video anschauen.
    Rasch schüttelte Patricia dieses Gefühl wieder ab. Lanier beobachtete sie. Sie schielte nach ihm und sah sofort wieder weg. Wie konnte man sie nur als so wichtig erachten? Was vermochte sie angesichts dieses ungeheuren Rätsels auszurichten?
    Allein schon die bloße Größe lähmte das Denken. Der Blick durch Lücken in den Wolken hinauf zur gegenüberliegenden Seite glich dem Blick aus dem Shuttle-Fenster beim Wiedereintritt in die Atmosphäre.
    Der Wagen folgte der leicht kurvigen Straße und durchquerte die sechste Kammer in zwanzig Minuten. Schon ragte vorne der übliche Bogen zum Tunneleingang auf. Farley schaltete die Scheinwerfer an, als der Tunnel sie aufnahm.
    Nach der sechsten, der Schlechtwetterkammer, war das ungetrübte Licht der Plasmaröhre eine Wohltat.
    »Man hört fast die Vögel zwitschern«, meinte Patricia.
    »Schön wär’s«, meinte Farley darauf. Sie fuhren gerade die Rampe hinunter. Vor ihnen lag eine kerzengerade Straße, die nur etwa halb

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