Aeon
die orthodoxen Naderiten, die noch ein ganzes Jahrhundert länger geblieben waren.)
Also hatten die Erbauer der sechsten Kammer, allen voran der herausragende Konrad Korzenowski, den Korridor geschaffen, mit gewissen Eigenschaften versehen und mit seinen Effekten gespielt. Sie hatten die Schächte geschaffen und eine Möglichkeit gefunden, den Korridor mit Luft und Erde und einer Landschaft zu versehen, die der Tallandschaft ihrer Heimat ebenbürtig – wenn nicht überlegen war.
Patricia wurde gelöster. Sie setzte sich auf. Einige der Symbole in ihrem noch ungeschriebenen Artikel waren ihr jetzt verständlich. Es kam Klarheit in ihre Gedanken, und mit einem Mal sah sie alle Probleme ineinandergreifen wie die Tätigkeiten von Arbeitern in einem gläsernen Wolkenkratzer.
Die Steinler hatten den Korridor geschaffen, um verkrampfte Zustände zu lockern, und der Beschränkung des Denkens, wenn nicht gar der Beschränkung des persönlichen Lebensraums entgegenzuwirken. (Anhand der Aufzeichnungen stand fest, dass der Stein zu keiner Zeit überbevölkert gewesen war.)
Aber der Korridor – wie sie urplötzlich erkannte – barg ein unerwartetes Risiko: eine Begleiterscheinung, derer sie sich zunächst nicht bewusst waren …
Oder nie bewusst wurden.
Durch die Schaffung des Korridors hatten sie den Stein aus seinem Kontinuum geworfen. Ein Vergleich drängte sich ihr auf, ein in seiner Gegenständlichkeit ungeheurer Vergleich, da sie sich gar nicht sicher war: der Korridor als Peitschenschnur, und der Stein als Peitschengriff. Durch das Dranhängen der Peitschenschnur und das unvermeidliche Entrollen im Superraum war der Griff aus seinem Universum geschnellt worden …
… in ihres.
Stunden später wachte sie steifgliedrig auf. Im Mund hatte sie einen schlammigen Geschmack. Mit schmerzendem Rücken stand sie auf von der Bank und blinzelte ins Röhrenlicht. Das Kopfweh war unerträglich.
Aber sie war auf einer heißen Spur.
Als die Steinler entdeckten, dass es unmöglich geworden war, die ursprüngliche Mission des Steins zu erfüllen, waren sie durch den Korridor ausgewandert.
Da stand sie und zog ihren Overall zurecht. Nun müsste sie zurückgehen und die hypothetischen Luftschlösser, die sie gebaut hatte, mit Fundamenten versehen.
Und Aspirin besorgen.
17
Lanier hatte den Zettel während des Shuttle- und OTV -Flugs ungelesen in seiner Tasche verwahrt; er fürchtete den Moment der Wahrheit, wenn er den Namen erfahren und vielleicht gegen einen Kollegen oder gar Freund vorgehen müsste.
Nachdem das OTV im Stein angelegt hatte, stieg er aus, meldete sich kurz bei Roberta Pickney und im Landebereich und übermittelte Kirchner seine Empfehlung, besonders auf die äußere Sicherheit des Steins zu achten.
Bezüglich der inneren Sicherheit …
Es war an sich gar nicht seine Aufgabe. Hatte Gerhardt die Mitteilung schon erhalten, die ihn auf dem gefalteten Zettel erwartete? Wie war Hoffman an den Namen gekommen, und warum hatte sie ihm den Namen gegeben?
Ein Bote überreichte ihm eine Tafel mit den Meldungen der verschiedenen Teamchefs. Er schwebte in einen kleinen Nebenraum am Landebereich, schlüpfte in einen Schlauch aus Netzgewebe, wie er den Arbeitern an der Achse als Koje diente, und las. Während er sich ins Bild setzte, erkannte er, dass er das Unvermeidliche nur vor sich herschob.
Als er in Begleitung eines wortkargen Marinesoldaten den Aufzug betrat, holte er den Zettel aus der Tasche und faltete ihn auseinander.
»So bald wie möglich möchte ich mit einem Laster zum zweiten Zirkel fahren«, sagte Patricia. Takahashi hielt ihr den Zelteingang auf, und sie trat ein. Carrolson und Farley dösten in einer Ecke des Mittelraums; in einer anderen hantierten Wu und Chang mit Tafeln und Prozessoren. Takahashi folgte ihr ins Zelt hinein.
Carrolson und Farley erwachten mit Brummlauten und blinzelten den lauten Störenfrieden entgegen. »Wir müssen Raum-Zeit-Stichproben machen«, sagte Patricia. Ihr Gesicht war ausgezehrt und hatte dunkle Ringe unter den Augen bekommen. »Ich habe Mr. Heineman um Mithilfe gebeten. Es ist ein Leitstrahlsender am Flugzeug, und wir können das Signal mithilfe eines Geräts vom Sicherheitsdienst auffangen, die Frequenz analysieren und so feststellen, ob wir uns zeitlich langsamer oder schneller bewegen, indem wir unsere Angaben vergleichen, während das Flugzeug über uns passiert.«
»Du hast dir Gedanken gemacht?«, fragte Carrolson, die sich auf ihrer Pritsche
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