Aeon
aufsetzte.
»Vielleicht bin ich auf der richtigen Spur«, antwortete Patricia. »Aber ohne Beweise ist noch nichts erwiesen. Ich habe Prognosen aufgestellt, und wenn die sich erhärten lassen, kann ich Hypothesen aufstellen.«
»Willst du uns verraten, worum es geht?«, fragte Takahashi, der sich neben Carrolson auf die Pritsche setzte.
Patricia zuckte mit den Achseln. »Meinetwegen. Der Korri dor ist vielleicht mit Dellen versehen. Jede Delle ist weiter nichts als eine Raum-Zeit-Fluktuation des Korridors und stellt eine Stelle dar, an der eventuell Zutritt in ein anderes Universum möglich ist. Die Dellen sollten eine minimale Abweichung der geometrischen Konstanten wie Pi aufweisen; vielleicht auch der physikalischen Konstanten. Überall dort, wo eine Delle – oder potenzielle Delle – ist, finden wir womöglich auch Zeitfluktuationen.«
»Heißt das, der Korridor ist voller potenzieller Schächte?«
»Anzunehmen. Nur ein paar wurden ausgewählt und sozusagen eingestellt.« Sie blickte hinauf zum Zeltdach und überlegte, wie sie erklären sollte, was ihr durch den Kopf ging. »Die Dellen stoßen aneinander. Unzählige vielleicht. Und ein Schacht, der sich in einer Delle – potenziell oder schon eingestellt – auftut, führt vielleicht in ein andres Universum.«
Takahashi schüttelte den Kopf. »Ist mir echt nicht ganz geheuer.«
»Ja«, sagte Patricia. »Ich möchte mich auch nicht weiter äußern, bis Garry wieder da ist.«
»Er muss jeden Moment kommen. Ist vor einigen Stunden im Bohrloch gelandet«, teilte Carrolson mit. Dann klopfte sie sich aufs Knie und stand auf. »Da fällt mir ein … Morgen ist Tanz in der ersten Kammer. Alle sind eingeladen. War zwar nicht unbedingt zur Feier von Garrys Heimkehr gedacht, aber trifft sich gut. Wir müssen uns mal wieder so richtig austoben.«
»Ich bin ein guter Tänzer«, sagte Wu. »Foxtrott, Twist, Swim.«
»Hört euch den an! Könnte meinen, wir hinken dreißig Jahre hinter der Zeit her«, bemerkte Chang.
»Vierzig«, korrigierte Wu.
»Und wenn wir es schaffen, Heineman aus seinem Spielzeug zu locken«, sagte Carrolson, »dann bring ich dem alten Trottel ein paar heiße Schritte bei.«
Lanier legte den Zettel auf seinen Schreibtisch im Lager des wissenschaftlichen Teams und griff zur Wechselsprechanlage. Nach kurzem Zögern drückte er die Taste.
Er glaubte zu wissen, warum Hoffman ihm den Zettel gegeben hatte. »Ann«, sagte er. »Ich will so schnell wie möglich mit Rupert Takahashi sprechen. Hier im Lager.«
Er hoffte, er handelte im Sinne von Hoffman, wenn er versuchte, die Bombe zu entschärfen, die der Stein geworden war …
Lance Corporal Thomas Oldfield, vierundzwanzig, war seit einem halben Jahr auf dem Stein stationiert und betrachtete diesen Einsatz als den aufregendsten seines Lebens, obwohl sich hier an sich nichts besonders Aufregendes abspielte. Die meiste Zeit schob er Wache in der zweiten Kammer, und zwar vor dem Tunnel zur ersten; dabei observierte er abwechselnd die Straße, die Brücke und die nahe Stadt oder betrachtete die ferne Rundung der gegenüberliegenden Seite. Normalerweise war er in Begleitung von mindestens einem Kameraden; heute jedoch war ein Wissenschaftler von der U-Bahnstation der Stadt in die erste Kammer zu eskortieren, sodass er nun ganz allein war. Freilich rechnete er nicht mit Problemen. In seiner ganzen Dienstzeit auf dem Stein war noch nichts Ungewöhnliches passiert. Er hatte noch nicht mal einen Spuk zu Gesicht bekommen.
Er glaubte nicht an Spuk.
Oldfield pfiff vor sich hin, als er aus dem Wachhäuschen trat und zur Brücke schaute, wo sich nichts rührte. »Schöner Tag«, sagte er und salutierte feierlich. »Jawohl, Sir, schöner Tag. Schön wie immer.«
Er fragte sich, ob es rein technisch derselbe Tag wäre wie der Tag seiner Ankunft. Ein immerwährender Tag ohne dazwischenliegende Nacht. Das Wetter änderte sich ab und zu. Bald regnete es, bald zog Nebel vom Fluss auf. Konnte man das als zeitliche Unterteilung betrachten?
Er begutachtete sein Apple und testete es hinter dem Häuschen an einer Reihe von Essenspäckchen aus Folie. Wenn er abgelöst wurde, stellte er die zerballerten Folienpäckchen wieder auf, damit die nächste Wache ihre Waffen ausprobieren konnte. Das war zu einem Ritual geworden.
Er ging ums Häuschen herum zur Tür, blieb stehen und wandte sich um.
Es fehlten ihm die Worte für das, was er sah.
Er dachte nicht mal mehr ans Apple. Meldung machen und verspottet werden –
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