Ärger mit dem Borstenvieh
und Vicky suchten nach weiteren Opfern, während ich mich mit John beriet, was zu tun wäre. Schließlich entschieden wir uns zu versuchen, ein Seil um das Tier zu schlingen und es heraufzuziehen. Beim Hinuntersteigen würde man sich durch dichtes Buschwerk und fingerdicke Dornensträucher zwängen müssen. John machte sich auf den Weg, um den Traktor, ein Abschleppseil sowie anderes nützliches Werkzeug herbeizuholen.
Die beiden Kleinen fanden keine weiteren Tiere und gaben dies bei ihrer Rückkehr mit entsprechenden Handzeichen zu erkennen. Sie waren sehr aufgeregt.
»Das wird ‘ne richtige Rettungsaktion, wie im Fernsehen«, verkündete Vicky glückstrahlend.
»Schade, daß wir keinen Helikopter haben!«
Als John zurück war, schleppten wir die Überreste eines Birkenstamms an den Rand, um so eine Rundung zu schaffen, über die das Tau gleiten konnte —• wie ein primitiver Flaschenzug. Als nächstes banden wir das orangefarbene Tau aus Nylon an den Traktor und ließen es über das Gesträuch fallen. Als es das Schaf berührte, bewegte das Tier sich leicht und hob seinen Kopf, aber es blieb liegen.
Mein ältester Sohn zog eine Grimasse, als er sagte: »Das gefällt mir nicht, irgend etwas stimmt nicht.«
»Vielleicht ist es ein wenig betäubt, wenn der Sturz erst vor kurzem passiert ist«, sagte ich zu ihm. Aber wir beide wußten, daß es dort unten schon stundenlang gelegen hatte, wahrscheinlich die ganze Nacht.
Ich kletterte runter zu dem Tier; meine Zehen grub ich tief in die Seitenwand der Schlucht und mit den Händen hielt ich mich so stark an dem Seil fest, daß das Nylontau die Innenflächen abschürfte. An der Stelle angekommen, fand ich einen sicheren Halt zwischen den Buschwurzeln und einen weniger sicheren zwischen den verschlungenen Dornenzweigen. Jetzt sah ich, daß an den Dornen dicke Knäuel aus Wolle hingen; das Schaf hatte also stark gestrampelt, bevor es aufgegeben und sich in sein Schicksal gefügt hatte.
Wegen der Dornen und der unglücklichen Lage war es nicht leicht, das Seil um das Schaf zu binden. Aber schließlich gelang es mir, und ich befestigte es hinter den Vorderbeinen. Es kam keine Reaktion von dem Schaf. Leblos lag es da, während ich herumhantierte, aber mit den Augen verfolgte es meine Bewegungen.
Als ich das geschafft hatte, startete John, der meine Anstrengungen beobachtet und kritisiert hatte, den Traktor und fuhr ganz behutsam an, zentimeterweise. Das Tau straffte sich, hielt die Spannung aus und — ganz langsam aber sicher — hob es das Schaf aus dem Gebüsch und zog es den steilen Abhang hoch. Bereits zu diesem Zeitpunkt entdeckte ich, daß irgend etwas mit einem Hinterbein des Tieres nicht in Ordnung war: es stand in einem merkwürdigen Winkel zur Seite ab.
Das letzte Stück hätte schwierig werden können, aber John gab einfach ein bißchen mehr Gas und zerrte das Tier ohne viel Federlesens rasch auf sicheren Boden. Als das Seil es über den Boden zog, versuchte es mit den Beinen zu kicken; Nicholas hielt es am Kopf fest, um ein Aufbäumen zu verhindern, als das Ziehen nachließ.
Ich kam auf die gleiche Art und Weise wieder an die Oberfläche. Das Seil wurde wieder heruntergelassen, ich ließ mich, mit einem Bein in der Schlaufe, die um das Schaf geschlungen worden war, hochziehen und kletterte über die Kante. Man brauchte kein Tierarzt zu sein, um festzustellen, daß das gerettete Schaf einige Zentimeter über dem Huf eines Hinterbeins den Knochen gebrochen hatte. Die Bruchstelle zeichnete sich ganz deutlich durch die Haut ab.
»Ein gutes Tier«, sagte John und befühlte sein Euter. Dann stülpte er die Schafslippen zurück, um sich die Zähne anzusehen. »Wär’ ein Jammer, es zu töten, besonders wo jetzt die Tiefkühltruhe voll mit fettem Lammfleisch ist.«
Ein Versuch schien sich zu lohnen, das gebrochene Bein zu schienen. Daher hoben wir es in den Transportkasten des Traktors und fuhren in Richtung Haus davon. Dort angekommen, ließen wir weiterhin das Schaf in dem Kasten, der sehr praktisch für die Behandlung war. Wir streckten das Bein — ohne einen Laut von dem leidtragenden Tier zu hören
— und schienten es mit zwei dünnen Hölzern, die wir mit Bandagen und rotem Klebeband fest umwickelten. Mehrere Stellen von Fliegenablagen waren sichtbar, und zwar in erster Linie dort, wo es sich an den Zweigen verletzt hatte. Daher schnitten wir die Wolle um diese Stellen herum ab und reinigten die oberflächlichen Wunden mit einem karbolsauren
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