Aerzte zum Verlieben Band 47
Tori hatte wieder Distanz aufgebaut.
„Natürlich“, erwiderte sie knapp, drehte sich um und ging langsam zurück. Rusty humpelte neben ihr her.
Abgesehen von dem kurzen Besuch gestern war Jake noch nie in dem Haus gewesen. Das schöne alte Gebäude wirkte heruntergekommen. Jahrelanges Vermieten, dann das Feuer und die Nutzung als Tierklinik hatten Spuren hinterlassen. Zwar gab es keine Brandschäden, aber sämtliche Räume rochen stark nach Rauch, Ruß haftete an den Wänden. Die Einrichtung war spärlich, es gab nur wenige Möbel, die für die Tierklinik gebraucht worden waren.
Der letzte Raum, den Tori ihm zeigte, war früher anscheinend das Schlafzimmer gewesen. Jake blieb an der Tür stehen. Hier hatte sie also die letzten sechs Monate gewohnt – oder vielmehr gehaust. Er war entsetzt.
In einer Ecke stand eine Campingliege, in der anderen ein Korb, in dem wohl Rusty schlief. Ein halbes Dutzend Kartons dienten als Schrankersatz und Nachttisch. Das war alles.
Ihr Outfit beim Speed-Dating war ohne jeden Chic gewesen. Ein Wunder, dass sie überhaupt einigermaßen präsentabel gewesen war.
„Kein Spiegel?“, fragte er gespielt locker.
„Kein Spiegel.“ Inzwischen hatte sie sich etwas erholt, ihre Stimme klang fester. „Das ist auch besser, bei meinem Anblick würde ich jedes Mal einen Schock bekommen.“
„An Ihrem Anblick ist nichts auszusetzen.“
„Sagt der Mann, der mich beim Fünf-Minuten-Date angesehen hat, als wäre ich eine wandelnde Vogelscheuche.“
„Ich habe nie gesagt, dass …“
„War auch nicht notwendig. Haben Sie genug gesehen?“
„Mehr als genug. Ist das alles, was Sie besitzen?“
„Ich brauche nicht viel“, bemerkte sie gepresst. „Wenn nötig, bin ich in einer halben Stunde hier weg.“
„Und wo bleiben Sie heute Nacht?“
„Sie werfen mich doch nicht heute noch raus?“, fragte sie sichtlich beunruhigt.
„Natürlich nicht. Ich wollte nur wissen, ob Sie irgendwo unterkommen können, wo es … wohnlicher ist.“
„Es ist schon okay.“
„Ganz bestimmt nicht. Um das Haus einigermaßen bewohnbar zu machen, braucht man einen ganzen Bautrupp.“
„Es ist ein wundervolles Haus.“
„Es könnte ein wundervolles Haus sein, aber im Moment ist es genau das Gegenteil. Also, haben Sie eine Unterkunft für die Nacht?“
„Klar.“
Aber er war ziemlich sicher, dass sie log.
Jake war hin- und hergerissen. Einerseits wollte er sich nicht mit einer Frau einlassen – wann hatte er das je getan? –, aber einfach weggehen … Er wäre nicht besser als Luke, wenn er sie jetzt hier einfach allein ließ mit ihrem Schmerz und ihrem Verlust.
„Kommen Sie mit zur Manwillinbah Lodge“, hörte er sich sagen. „Sie kennen sie doch, oder?“
„Ja, aber …“
„Aber was?“
„Ich kann nicht.“
„Warum nicht?“
„Es ist Ihr Haus.“
„Es ist eine Ferienanlage, die Gäste aufnimmt, und sie hat zurzeit nur zwei davon. Deswegen biete ich sie Ihnen an, und glauben Sie mir, es wäre vernünftig, mein Angebot anzunehmen.“ Er breitete die Hände aus. „Tori, entweder übernachten Sie hier in diesem leeren, trostlosen Haus und weinen sich wegen eines kleinen Koalas die Augen aus, oder aber Sie kommen mit mir und lassen sich von Rob verwöhnen, bis Sie sich wieder etwas erholt haben.“
Sie zögerte.
„Sie würden Rob sogar einen Gefallen tun. Er liebt es, wenn die Lodge voller Gäste ist, er hat gern Menschen um sich. Seit dem Feuer sitzen seine Gäste nur da, starren vor sich hin und wollen nicht reden.“
„Mir ist auch nicht nach Reden zumute.“
„Das glaube ich, aber unsere Haushälterin kann für Sie kochen, und Rob wird Sie zum Lächeln bringen. Er kann wunderbar mit Menschen umgehen.“
Da sah sie ihn neugierig an. „Das hört sich an, als könnten Sie es nicht.“
„Ich bin nicht sehr gesellig.“
„Und doch durfte ich mich an Ihrer breiten Brust ausweinen.“
„Manchmal fühle ich mich verpflichtet, nett zu sein.“
„Wie beim Fünf-Minuten-Date? Es hört sich an, als wollten Sie so schnell wie möglich verschwinden.“
„Tut mir leid, so meinte ich es nicht.“ Verdammt, er musste endlich lernen, freundlicher zu klingen.
Zu seiner Erleichterung begann sie zu lächeln, zwar nur schwach, aber immerhin. „Okay, Sie mögen kein besonders umgänglicher Mensch sein, aber im Moment machen Sie sich ganz gut“, sagte sie. „Ich war wirklich dankbar für Ihre starke Schulter. Sie hätten ja auch die Flucht ergreifen können.“ Sie
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