Aerzte zum verlieben Band 48
stark und unverwüstlich, eine Statur wie ein Bollwerk, das sie vor jedem denkbaren Angriff schützen konnte.
Doch das war damals gewesen, als sie noch geglaubt hatte, ihre Liebe sei einzigartig und würde allem standhalten.
Hätte sie sich nur ein winziges bisschen zu ihm gedreht, dann hätten ihre Lippen sich berührt. Die Luft zwischen ihnen knisterte vor Spannung, und Carolines Verlangen nach ihm, nach seinen starken Armen und seinem vertrauten Körper, ließ ihre Knie zittern. Sie streckte ihm ihr Gesicht entgegen, felsenfest davon überzeugt, dass er sie küssen würde.
Doch Jorge ließ sie unvermittelt los und trat schnell einen Schritt zurück, bevor er sich eilig hinter seinen Schreibtisch setzte und überaus geschäftig nach einem Krankenbericht griff.
Hatte sie sich die erotische Spannung nur eingebildet? War es ein Wunschtraum gewesen, weil sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dass die Anziehungskraft zwischen ihnen noch immer existierte?
„Ich muss nach Ella sehen“, murmelte sie und ging rasch zur Tür.
Jorge sah ihr nach, dieser Frau, die er vor wenigen Augenblicken fast geküsst hatte. Schon eine kurze Berührung hatte ausgereicht, und alle alten Erinnerungen waren wieder da gewesen. Sie zu spüren hatte etwas in seinem Inneren in Flammen gesetzt und seinen Verstand kurzzeitig vollkommen vernebelt.
Wie hatte er nur so schwach sein können? Caroline hatte mehr als deutlich gemacht, dass sie schon lange nichts mehr für ihn empfand.
Estúpido! Er war wirklich ein Idiot! Wieso um alles in der Welt spürte er diese dumpfe Enttäuschung? Er selbst hatte ihr schließlich diese grausame Mail geschrieben, die alle Gefühle zerstören sollte. Denn die Vorstellung, dass sie wie eine Märtyrerin an sein Krankenbett geeilt kommen würde, war ihm unerträglich gewesen.
Andererseits war Caroline nun wirklich kein Märtyrer-Typ. Dazu war sie viel zu pragmatisch.
Apropos pragmatisch – er sollte jetzt wirklich heimgehen und nachsehen, ob er etwas Anständiges zu essen im Haus hatte. Vielleicht musste wirklich noch jemand einkaufen gehen.
Ein Ausflug zum Supermarkt würde ihm zumindest etwas Abstand zu Caroline verschaffen.
Entschlossen ging er zu seiner Hütte, wo er Caroline vorfand, die eine sehr schmutzige Ella von ihren noch schmutzigeren Kleidern befreite.
„Ich habe mit den anderen Kindern gespielt, Chor-cheh!“, rief die Kleine glücklich. „Und jetzt sind meine neuen Schuhe ganz voll Schlamm. Aber Mummy sagt, es macht nichts, weil wir sie sauber machen können. Ich konnte den Ball ganz weit schießen!“
Er betrachtete das halbnackte Kind und spürte ein nur schwer zu beschreibendes Gefühl in seiner Brust. Stolz. Er war stolz darauf, dass er einen Anteil daran gehabt hatte, dieses perfekte kleine Geschöpf zu erschaffen.
„Hinter dem Haus ist eine große Wanne, in der ich normalerweise meine Wäsche wasche. Wenn du willst, kannst du darin baden, Ella.“
„Hilfst du mir dann dabei?“, fragte die Kleine erwartungsvoll. „Meinen Bauch und meine Beine und meine Arme und meine Ohren kann ich schon alleine saubermachen.“
Bei ihren letzten Worten warf sie Caroline einen trotzigen Blick zu, und Jorge vermutete, dass das Ohrensäubern ein heikles Thema zwischen Mutter und Tochter war. War sie gerade dabei, ihn zu ihrem Verbündeten gegen ihre Mutter zu machen? Konnte eine Dreijährige schon derart manipulativ sein?
„Sie ist die Königin der Manipulation“, erklärte Caroline trocken und stopfte die dreckige Wäsche in einen Korb. „Pass auf, dass sie dich nicht vollkommen um den Finger wickelt.“
„Ich könnte dir bei den Ohren helfen“, bot Jorge diplomatisch an, während Ella das neue Wort konzentriert vor sich hinmurmelte.
„Maniplution, Maniplution.“ Sie war offensichtlich fest entschlossen, es in ihren Wortschatz aufzunehmen.
Wieder spürte Jorge ein seltsames Gefühl in seiner Brust.
„Ich werde Wasser für dein Bad warm machen“, erklärte er. Er brauchte etwas Abstand, um sich über seine Gefühle klar zu werden.
Er war fest entschlossen gewesen, sich niemals wieder auf einen Menschen einzulassen. Nur sein Vater bildete eine Ausnahme, und vielleicht noch Antoinette, die Haushälterin, die sich seit seiner Kindheit rührend um die Familie kümmerte. Doch außerhalb dieses familiären Kreises wollte er jede Art von Gefühl vermeiden.
Das war zumindest bis heute sein Plan gewesen. Bis zu dem Augenblick, in dem ein kleines Mädchen, das ehrgeizig und völlig
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