Aerzte zum Verlieben Band 52
stille Gebäude. Dabei kämmte sie sich mit den Fingern die Haare, so gut es ging. „Ist die Klinik für solche Fälle eingerichtet?“
„Im Grunde nicht, aber ich habe schon unter schlechteren Bedingungen operiert.“
„Was ist mit Instrumenten?“ Sie verspürte einen dumpfen Druck im Magen. „Sag nicht, du operierst nur mit Taschenmesser und Nadel und Faden aus dem Nähetui.“
„Keine Bange. Ich gehe nie ohne Grundausstattung aus dem Haus“, erklärte er mit einem Grinsen. „Man weiß nie, wann man was braucht. Eine der Schwestern sterilisiert sie gerade.“
Leah war zutiefst erleichtert. „Wie geht es Mrs Ortiz?“
„Nicht so gut“, antwortete er ernst. „Ben und Sheldon hätten sie schon vor einer Stunde nach Mexico City gebracht, aber ich brauche Ben für die Narkose bei dem Jungen. Sobald ich fertig bin, fliegen sie los.“
Die Nachtschwester hatte Gabes Anweisungen präzise befolgt. Die Instrumente waren steril und der Patient bereit.
„Zu Hause würden wir die Operation laparoskopisch durchführen“, meinte Gabe nebenbei. „Aber hier müssen wir uns mit dem guten alten Bauchschnitt behelfen.“
„Das wird den Jungen nicht stören“, meinte Leah. „Dann kann er mit seiner Narbe angeben.“
Ihre Blicke trafen sich. Leah lächelte schwach und hoffte, dass ihr wegen ihrer mangelnden Erfahrung keine Fehler unterliefen. Als würde er ihre Gedanken lesen, sagte er: „Hol einmal tief Luft. Du schaffst es schon.“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich werde dich auch nicht benoten.“
Sie lachte leise auf. „Danke.“
„Okay, auf geht’s.“ Er streckte die Hand aus. „Skalpell.“
Leah war überrascht, wie schnell sie sich an seine Arbeitsweise gewöhnte. Mit traumwandlerischer Sicherheit setzte Gabe seine Schnitte, und dann lag der erkrankte Blinddarm vor ihnen.
Er war rot und geschwollen und dem Platzen nahe.
„Gutes Timing“, meinte Gabe, während er klammerte, schnitt und schließlich nähte. „Wie geht es ihm?“, erkundigte er sich bei Ben, der die Narkose überwachte.
„Großartig. Solche Eingriffe liebe ich – rein, raus, keine Komplikationen.“
Schließlich streifte Gabe sich die Handschuhe ab. Er sah müde, aber zufrieden aus. „Bringen wir ihn in sein Bett. Dann kümmern wir uns um Mrs Ortiz. Seid ihr soweit?“, wandte er sich an Ben.
„Corey checkt schon die Maschine durch, und Sheldon wartet draußen auf uns. Wenn Mrs Ortiz an Bord ist, können wir starten.“
Sie waren ein eingespieltes Team, und Leah konnte sie dafür wieder einmal nur bewundern. Und sie verstand, was Gabe ihr mit dieser Reise beweisen wollte: So unterschiedlich sie alle waren, so leisteten sie doch Erstaunliches, weil sie dasselbe Ziel hatten. Wenn man das auf unsere Ehe überträgt, ist es genauso, dachte sie.
Der Wunsch nach einer Familie gehörte zwar auch dazu, aber es war nicht das Wichtigste. Leah wurde klar, dass am Anfang nur eins für sie gezählt hatte – sie liebte Gabe und wollte mit ihm ihr Leben verbringen.
Hatte sich daran etwas geändert?
Nein. Sie liebte ihn immer noch, und ein Leben ohne ihn erschien ihr bedrückend leer.
Endlich waren alle an Bord. Als das Flugzeug startete, färbte die aufgehende Sonne den Horizont rötlich.
Leah schaute ihm nach, bis es am wolkenlosen Himmel verschwunden war. „Merkwürdig, ich komme mir irgendwie verlassen vor.“
Gabe legte ihr den Arm um die Schultern. „Wir haben ja noch uns.“ Er stahl sich einen kurzen Kuss. „Was hältst du von Frühstücken?“
Bevor sie antworten konnte, kam ein Junge herangelaufen. „Dr. Gabriel!“, keuchte er atemlos, und dann sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus.
Leah verstand nur ein paar Worte wie Waisenhaus und Klinik , ahnte aber, worum es ging.
Schließlich drehte Gabe sich zu ihr um. „Die Sonne ist kaum aufgegangen, und wir haben schon alle Hände voll zu tun.“
„Dachte ich mir.“
„Dich braucht man im Waisenhaus, und Hector besteht darauf, sich um seine Patienten zu kümmern, obwohl er sich selbst kaum auf den Beinen halten kann. Das Frühstück müssen wir wohl verschieben.“
„Sieht so aus, als hätten wir heute viel zu tun.“
„Du wirst dir bald wünschen, dass du mit den anderen geflogen wärst.“
Leah betrachtete ihren Mann. Dunkler Bartschatten bedeckte sein Kinn, nicht das einzige Zeichen, dass er heute Nacht keinen Schlaf bekommen hatte. Die nächsten Tage würden sie bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen, vor allem Gabe. Doch sie war
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