Aerzte zum verlieben Band 55
mit Evie hätte er gut und gern verzichten können. Der vorwurfsvolle Blick in ihren warmen rehbraunen Augen, das trotzig vorgeschobene Kinn, der schnippische Unterton, all das erinnerte ihn daran, wie sehr er Evie verletzt hatte, als er mit einer der OP-Schwestern geschlafen hatte.
Ich hatte keine Wahl.
Man hat immer eine Wahl. Du hast dich entschieden, Evie wehzutun, um dich selbst zu schützen.
Das Schuldgefühl wurde stärker. Ja, er hatte zugelassen, dass Evie ihn berührte, dass sie sich aneinanderlehnten und beim anderen einen Moment des Friedens und der Geborgenheit fanden. Es war zur richtigen Zeit am richtigen Ort passiert. Was danach kam, die Gefühle, die sich mit Macht in den Vordergrund drängten ⦠das war falsch.
Finn wusste aus Erfahrung, dass es wenig Sinn hatte, Menschen nahe an sich heranzulassen. Das endete nur in Kummer und Verzweiflung, also hatte er das Richtige getan. Trotzdem blieb das schlechte Gewissen wie ein feiner Stachel â nicht nur Evie, sondern auch der OP-Schwester gegenüber, deren Namen er schon wieder vergessen hatte.
Er knurrte ein Danke, als die Oberärztin das Blut absaugte, während er ein weiteres Gefäà verödete. Der Blutverlust schien nicht mehr so stark. Blieb der Kreislauf weiterhin so stabil, war Finn zuversichtlich, dass er den Kampf gewinnen würde. âSie sind neuâ, fragte er die Ãrztin. âWie heiÃen Sie?â
Müde Augen, die ihn daran erinnerten, wie seine eigenen sich anfühlten, sahen ihn über den Mundschutz hinweg an. âHayley Grey. Ich bin seit ein paar Wochen am Harbour, aber meistens in der Nachtschicht.â
Die Blutungen wurden wieder stärker. Finn fluchte stumm. Diese Leber ist die reinste Katastrophe. âSie müssen mir nicht Ihre Lebensgeschichte erzählenâ, antwortete er barsch.
âDas hatte ich auch nicht vorâ, entgegnete sie ruhig. âDies ist mein letztes Praktikum. Ende des Jahres habe ich meinen Facharzt in der Tasche.â
âHoffen wirâs. Die Prüfung ist mörderisch.â Die Tupfer um die Leber hatten sich mit Blut vollgesogen. âMehr Tupfer!â Er entfernte die alten, und sofort sprudelte Blut ins Operationsfeld. Die Ãberwachungsgeräte jaulten in ohrenbetäubendem Alarm auf.
âVerdammt, Finn, was hast du gemacht?â David klang angespannt. âEr braucht mehr Blut. Und zwar sofort.â
âAlles unter Kontrolle.â Aber das stimmte nicht. Ein derart starker Blutverlust konnte nur eins bedeuten: Eine Lebervene war gerissen. Finn hatte es nicht bemerkt, weil die Tupfer den Schaden verborgen hatten. Er schob die Leber beiseite und nahm die Vene zwischen Daumen und Zeigefinger. âDavid, ich klemme das Gefäà ab, bis du mehr Blut in ihn gepumpt hast.â Er sah auf, ins blasse Gesicht der Oberärztin. âHaben Sie schon mal gesehen, wie man bei einem solchen Notfall schnellstens eine Leber teilresektiert?â
Sie schüttelte den Kopf. âMittels Laser?â
âDafür ist keine Zeit.â Mit der linken Hand deutete er auf einen Riss in der Leber. âDas habe ich beim Militär gelernt. Man fängt hier an und nimmt eine Fingerresektion vor. Ich kann aus dieser Leber in dreiÃig Sekunden zwei Teile machen.â Finn spürte, wie Daumen und Zeigefinger langsam taub wurden, so fest hielt er die Vene zugedrückt. âFertig, David?â
âNoch eine Einheit.â
âBeeil dich.â Er presste stärker, obwohl er kaum noch ein Gefühl in den Fingern hatte. âIch brauche eine Klemme und einen Prolenefaden 4-0.â
Die OP-Schwester hielt das Gewünschte bereit.
âUns läuft die Zeit davon, Finn.â Dem Anästhesisten war die Sorge anzuhören.
âIch weiÃ. Halten Sie den Absauger bereit, Dr. Grey.â
Er lockerte den Griff um die Vene und zerteilte mit den Fingern die Leber. Das Taubheitsgefühl verschwand jedoch nicht, seine Finger fühlten sich dick und schwer an. âKlemme!â
Er packte sie mit der linken Hand und sah, wie die Schwester verwundert die Brauen hochzog.
âSchneller, Finnâ, drängte David. âSonst haben wir gleich mehr Blut im Absauger als im Patienten.â
Das Blut sprudelte weiter, die Monitore schlugen schrill Alarm. Schweià rann Finn in die Augen. Du verlierst ihn. âMach du deinen Job, und ich mache meinenâ, zischte er, während er die Klemme
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