Aerzte zum Verlieben Band 58
den Schock verarbeitet, dass ihre Tochter mit sechzehn ungeschützten Sex gehabt hatte. Wäre das nicht passiert, wenn ich nachts nicht gearbeitet hätte? Wie oft hatte sie schon mit dieser Frage gehadert.
Im Gegensatz zu dem Tumult, der sich in ihren Gedanken abspielte, war es auf der Station ruhig.
Emily bereitete das Bett für den Neuzugang vor, den sie von einem Vorortkrankenhaus erwarteten, und zog das Blutdruckmessgerät näher heran. Dann befestigte sie das Namensschild am Fußende.
Der verantwortliche Arzt war Marco D’Arvello. Anscheinend bekamen sie immer mehr Fälle für fetale Chirurgie. Emily schüttelte den Kopf.
„Stimmt was nicht?“ Ihre Kollegin und Freundin Lily berührte sie sanft am Arm, und Emily nahm sich zusammen.
„Alles in Ordnung. Ich musste nur an vorhin denken.“
„Wie war der Termin bei dem tollen Dr. D’Arvello?“ Lily hatte erst vor Kurzem ihren Traumprinzen kennen und lieben gelernt. Und weil sie glücklich war, wollte sie, dass auch alle anderen glücklich waren. „Der Mann soll ein Herzensbrecher sein, habe ich gehört.“
Emily bekam warme Wangen. Zum Glück herrschte während der Nachtschicht gedämpftes Licht, sodass Lily die verräterische Röte nicht auffallen konnte. „Er war sehr nett. Nachher kommt er bestimmt, um sich seine neue Patientin anzusehen. Danach kannst du mir ja sagen, was du von ihm hältst.“ Wie der dunkelhaarige Arzt auf sie gewirkt hatte, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. „Es wäre besser gewesen, wenn Annie die Ultraschalluntersuchung eher gemacht hätte. Aber ich weiß auch erst seit letzter Woche, dass sie schwanger ist. Die Geschichte wiederholt sich …“
„Das sehe ich anders“, widersprach Lily nachdrücklich. „Deine Eltern haben dich mit Vorwürfen überhäuft und sich von dir abgewandt. Diesmal ist es anders. Du hast nicht einen Moment gezögert, Annie alle Hilfe und Unterstützung zu geben, die sie braucht. Du bist für sie da, und das weiß sie auch. Auch wenn sie dir nicht sagen will, wer der Vater ist.“
„Es ist vorbei, hat sie mir erklärt, und er habe kein Interesse an dem Kind. Es hat wenig Sinn, da weiter nachzubohren, also lasse ich es. Aber es stimmt mich schon wehmütig, dass sie jetzt schlagartig erwachsen werden muss. Und dann ist ihr Baby auch noch krank.“
Lily war noch sehr jung, doch sie hatte keine leichte Kindheit gehabt und war früh erwachsen geworden. Sie wusste, wie stark eine Frau sein konnte, wenn sie es musste. „Viele Mädchen kommen wunderbar klar, Emily. Auch mit einem kranken Kind. Annie wird das auch schaffen. Falls ihr Baby nach euch beiden schlägt, kannst du mehr als beruhigt sein.“
Hoffentlich. Emily holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. „Danke, Lily. Entschuldige, ich wollte meine Sorgen nicht bei der Arbeit abladen.“
„Wo denn sonst, wenn du niemanden hast? Ich bin froh, dass ich für dich da sein kann, wirklich. Ach, dabei fällt mir ein, wir sollten mal wieder zusammen Kaffee trinken. Evie wollte auch kommen. Wann passt es dir diese Woche?“
„Gute Frage. Annie wünscht sich eine Babyparty.“
„Mach dich nicht fertig, du schaffst das schon.“
Draußen auf dem Flur war das Geräusch von Rollstuhlrädern zu hören. „Ich werd’s versuchen“, antwortete Emily. „Hört sich an, als wäre unser Neuzugang da.“
Die Patientin sah noch jünger aus als Annie, und die beiden Krankenschwestern wechselten einen mitfühlenden Blick.
„Hallo, Sie sind June, nicht?“ Lächelnd begrüßte Emily sie. „Wie ich gehört habe, bekommen Sie Zwillinge.“
„Das hat der Arzt gesagt. Jetzt weiß ich endlich, warum ich aussehe wie eine Walkuh auf zwei Beinen.“ Ihr Lächeln zitterte und verschwand zusammen mit dem forschen Tonfall. „Meinen Babys wird doch nichts passieren, oder?“
„Wir werden alles tun, um die Kontraktionen zu stoppen. Und meine Freundin hier hat recht, wenn sie sagt, dass Babys zähe kleine Wesen sind.“
Der Pfleger rollte die Patientin in das vorbereitete Zimmer. June erhob sich schwerfällig, blieb jedoch stehen und atmete sich durch die nächste Wehe.
Emily legte ihr dabei die Hand auf den Bauch. „Die Kontraktionen sind stark, aber Sie kommen gut damit zurecht.“
June seufzte tief auf, als der Schmerz abebbte. „Ich habe bei einem Geburtsvorbereitungskurs mitgemacht. Eine Freundin meiner Mutter leitet ihn, und sie hat uns auch beigebracht, wie man richtig atmet.“
„Dann müssen Sie mir unbedingt ihre Nummer geben,
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