Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)
Christian. »Ich muss sofort zum Hauptquartier zurückkehren, meine Vorgesetzen unterrichten und das hier in unser Labor bringen.« Christian hielt einen der Behälter hoch, die er aus dem Keller von Lucians Haus mitgenommen hatte.
Der Großkanzler kniff ganz kurz die Augen zusammen. »Und was ist das?«, fragte er scheinbar unschuldig.
Antoinette konnte er nicht zum Narren halten, und auch nicht Oberon. Der Ursier stand in der Nähe, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah den Mann finster an.
»Bloß etwas, das wir identifizieren möchten, bevor wir uns auf wilde Spekulationen einlassen.« Christian war der Frage elegant ausgewichen. »Wie ich schon sagte, kann Oberon DuPrie, der offiziell der AGV angehört, Sie über die Lage am besten in Kenntnis setzen, Sir.«
Antoinette drehte sich zu einem Mann um, der vor Schmerz aufjammerte. Er war einer von Lucians menschlichen Wächtern und hatte mehrere tiefe Wunden an den Beinen davongetragen. Er streckte sie aus und biss die Zähne zusammen, als ein Sanitäter das Blut aus einer der Wunden wusch.
Antoinette war nicht durstig – zumindest nicht so sehr, wie sie es gewesen war, als sie Lucian angegriffen hatte. Aber der Geruch frischen Menschenblutes erinnerte sie an ihren Appetit, und das inzwischen vertraute Knurren setzte in einer dunklen Ecke ihres Geists ein. Dort, wo das Tier hauste.
»Komm mit«, flüsterte ihr Christian ins Ohr.
Er war hinter sie getreten, und ihr Herzschlag setzte ganz kurz aus, als sie seinen Atem im Nacken spürte. Das Tier in ihr knurrte erneut – diesmal aber hungerte es nicht nur nach Blut.
»Was?«, fragte sie und verschloss das Tor zur Dunkelheit in sich etwas leichter als beim letzten Mal.
»Komm mit mir zurück nach New York. Ich will dir helfen, es durchzustehen.« Er packte sie bei den Unterarmen und drehte sie um. »Als ich dachte, ich verliere dich …«
»Ich kann nicht.« Sie strich ihm mit der Hand über die Wange, und eine Träne rann an ihrem Gesicht hinunter.
»Warum nicht?«, fragte er und trat einen Schritt zurück.
Antoinette schaute hinüber zu ihrem Vater, der gerade von einem Sanitäter behandelt wurde. Und zu Lisbet, die alles und jeden in ihrem Leben verloren hatte. Antoinette wusste, wie es war, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Aber die beiden waren nicht der einzige Grund. Wie sollte sie Christian sagen, dass sie nicht sicher war, ob sie ihm verzeihen konnte, was er mit ihr gemacht hatte – selbst wenn er dabei die besten Absichten gehabt hatte?
Sie seufzte und wandte sich wieder Christian zu. »Ich weiß nicht, ob ich dir danken oder dich hassen soll für das, was du aus mir gemacht hast. Ich weiß nicht, wie ich mich fühle oder was ich überhaupt noch fühle. Du hast alles in mir auf den Kopf gestellt, und ich habe keineAhnung, welchen Gefühlen ich vertrauen darf.« Sie sah ihm in die Augen und hielt seinem Blick mit aller Kraft stand. »Wie kann ich mit dir zusammen sein, wenn ich nicht mehr weiß, wer oder was ich bin?« Sie wischte sich einige Tränen weg. »Ich weiß nicht einmal mehr, wohin ich gehöre …«
»Antoinette, bitte …« Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie wich vor ihm zurück. Wenn er sie berühren sollte, würde ihre Entschlossenheit dahinschwinden. Sie musste sich von ihm entfernen, damit sie klar denken konnte. Antoinette schaute über die Schulter auf Lisbet und ihren Vater. Sie brauchten sie.
»Jetzt gehöre ich erst einmal zu meiner Familie. Ich muss sie nach Hause bringen.«
Als er sie ansah, lagen Schmerz und Schuldgefühle in seinem Blick. Er wollte wieder nach ihr greifen, nahm aber den Arm herunter. Nach einem letzten forschenden Blick drehte er sich rasch um, ging zu dem wartenden Helikopter und gab dem Piloten das Zeichen zum Start, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Sie sah zu, wie der Hubschrauber im Nachthimmel verschwand. Entsetzliche Leere breitete sich in ihr aus und nahm ihr den Atem. Sie würde irgendwann wieder verschwinden – oder?
Antoinette wischte eine weitere Träne fort und drehte sich um.
◀ ▶
Antoinette rollte von der Turnmatte. Ihre Übungen waren inzwischen vollkommen mühelos, und ihr brach nicht einmal mehr der Schweiß aus, wie sehr sie sich auch anstrengen mochte. Sie trainierte eher aus Gewohnheit, als um körperlich fit zu bleiben.
Cerberus saß neben der Tür und hob den Kopf, als sienäher kam. Aufgeregt schlug er mit dem Schwanz auf den Boden. Christian hatte ihr den Hund geschickt, da er
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