Aetherhertz
natürlich.
Da er sich fehl am Platz fühlte, war Paul in sein Häuschen gegangen, um den beiden ein wenig Ruhe zu verschaffen. Friedrich war ihm gefolgt.
„ Heute ist ein schlechter Tag für dich, Brüderchen!“, grinste sein Bruder schadenfroh.
Paul hatte sich in einen Sessel gesetzt und brachte keine Energie auf, sich mit seinem Bruder zu streiten. Friedrich machte es sich gemütlich.
„ Muss ich nachher dabei sein?“, fragte er und zündete sich eine Zigarette an.
Paul schüttelte den Kopf.
„ Wenn ich es mir recht überlege, sollte ich aber in mich gehen und mich fragen, ob ich nicht auf jeden Fall dabei sein möchte, wenn unsere liebe Mutter ihrer Konkurrentin die Augen auskratzt.“ Friedrich versuchte, ihn zu provozieren. Das war ihm früher immer gut gelungen.
„ Das wird nicht passieren“, entgegnete Paul ruhig.
„ Warum nicht? Ihr liebes kleines Söhnchen bringt seine Zukünftige mit. Ohh, wenn Mama wüsste!“
„ Wenn sie was wüsste?“
„ Was ihr im Schwarzwald so getrieben habt!“
Jetzt hatte er doch Energie: “Was meinst du damit?“, fragte Paul und wurde aber leider rot.
„ Ha! Du hast dich gerade verraten. Nun, ihr werdet doch sicher nicht in getrennten Zimmern geschlafen haben, oder?“ Friedrich war siegessicher.
Paul schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander.
„ Da du es so genau zu wissen scheinst, brauche ich dir ja nichts mehr zu erzählen.“
Friedrich lachte und verschluckte sich am Rauch seiner Zigarette.
„ Die arme Mama!“, hustete er.
„ Hör zu Friedrich: Ich finde das nicht so lustig wie du. Die Situation ist ganz schön verfahren. Aber ich habe die Hoffnung, dass dadurch unsere Eltern endlich mal wieder näher zusammenkommen.“
„ Du meinst, wenn Mama nicht ihr Bübchen zum Kuscheln hat, dann würde sie zu Papa gehen?“
„ Wie redest du denn?“, fragte Paul empört.
„ Nun, ich habe Papa oft genug volltrunken nach Hause gebracht. Ich weiß, dass da schon seit Jahren nichts mehr läuft. Der alte Esel ist ihr aber trotzdem noch treu, obwohl er mehr als genug Gelegenheiten gehabt hätte.“
Paul stand auf. Er war so aufgebracht, dass er Friedrich am liebsten eine geknallt hätte. Er tat es nicht, und nicht nur aus dem Grund, weil Friedrich sicher zurückgeschlagen hätte. Die Wahrheit tat weh, und er erkannte, dass sein Bruder genauso ein Opfer war wie er.
Es wurde Zeit, sich aus diesem Geflecht der Abhängigkeiten zu lösen!
Friedrich hatte ihn zunächst noch grinsend beobachtet, aber jetzt merkte er, dass die Stimmung sich verändert hatte.
„ Wir waren beide nur Bauern in diesem Spiel“, sagte Paul.
„ Wenn du es so ausdrücken willst“, erwiderte Friedrich und räkelte sich wie ein Kater. „Ich habe nichts gemacht, was ich nicht wollte, und dir ging es auch lange gut damit.“
Friedrich hatte recht. Ein Opfer zu sein, war auch eine Entscheidung, die man irgendwann traf. Genauso konnte man das wieder ändern. Vielleicht war heute ein guter Tag dazu.
Er reichte seinem Bruder eine Hand, half ihm auf und schob ihn dann zur Tür hinaus.
„ Danke. Das war ein unerwartet lehrreiches Gespräch. Jetzt verschwinde erst mal. Ich will dich bei dem Essen nicht dabei haben.“
„ Oui, mon Capitaine!“ Friedrich salutierte und trollte sich.
* * *
Herr Naumann begleitete sie bis an die Tür. Erst als ihr geöffnet wurde, und ein Diener sie einließ, ging er zurück zu den Pferden, um sie zuzudecken. Er würde auf sie warten und sie wieder nach Hause bringen.
Annabelle versuchte ruhig zu atmen. Ihr Herz pochte schmerzhaft gegen das Korsett und sie fühlte sich erhitzt. Sicher hatte sie ein rotes Gesicht! Sie wartete im Flur und schloss kurz die Augen. Als sie sie öffnete, stand Paul vor ihr. Paul! Ihr Herz flog ihm entgegen, als er sie anlächelte und in Empfang nahm. Nichts konnte schlimm sein, wenn Paul dabei war.
Er nahm ihr den Mantel ab und drehte sich dann zu ihr. Sie stand an der Garderobe vor einem Spiegel und prüfte kurz ihre Frisur, als er hinter sie trat. Sie spürte seine Hand federleicht an ihrer Taille und lehnte sich an ihn. Er sah über ihre Schulter und sie konnte in seinen Augen nichts als Freude lesen. Sie fühlte sich in diesem Moment so beschützt, so eingehüllt in seine Bewunderung, dass sie vergaß, Angst zu haben.
Paul war immer noch in Schwarz und sein grünes Hals- und Einstecktuch passten zu ihren Perlenstickereien. Sie fand ihn wunderbar.
„ Du siehst umwerfend aus“, flüsterte
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