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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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bereit wäre, es wäre ja nicht möglich. Denn sie war anders, nicht nur innen, sondern auch außen, sichtbar, grün, verändert, verdorben?
    Nein, das ging nicht. Das war nicht möglich. Sie konnte das nicht verlangen, es würde nicht gut gehen. Was war die Alternative? Sie fühlte ein riesiges schwarzes Nichts in ihrem Bauch. Eine Leere, die entstand, wenn sie Paul aus ihrem Leben strich, ihren Vater aus ihrem Leben strich, ihr Leben so, wie sie es bis jetzt gelebt hatte, beendete.
    Sie schluchzte und ging in die Knie. Der Wallach blies ihr besorgt ins Ohr und sie berührte seinen Kopf. Ohhh, wie Balsam drang die Pferdeseele bis auf den Grund ihrer Wunde. Für Oberon war alles ganz einfach. Sein Selbstbewusstsein erhob ihn hier zum König des Waldes. Für ihn war sein Platz im Leben völlig selbstverständlich, er kannte keine Frage nach dem Warum und Wohin. Er füllte sich aus, ruhend in seiner Stärke, seinem riesigen Herz, das zuverlässig pumpte und jeder Atemzug war eine Bejahung des Lebens. Er urteilte nicht über sie, für ihn war sie wie am ersten Tag, ob klein oder groß, ohne oder mit grüner Hand. Er betrachtete sie als seine Verantwortung, die er selbstverständlich annahm, und niemals etwas dafür einfordern würde.
    Annabelles Tränen versiegten. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Was sollte sie tun? Am liebsten wäre sie weiter geritten, zurück zur Schurmhütte. Aber da würde sie auch alles an Paul erinnern, nein, das war keine Lösung. Aber wohin? Was sollte sie Frau Barbara erzählen, was zu Paul sagen, wenn er auftauchen würde, eine Erklärung fordernd ... Paul – nein, nicht weinen. Aufhören, durchatmen, erwachsen sein, Entscheidungen treffen.
    Sie stieg auf, und da es inzwischen sehr dunkel geworden war, ritt sie langsam und vorsichtig.
     
    Sie kam auf den breiteren Weg, der von Geroldsau nach Baden-Baden führte, als Oberon unruhig wurde. Er blieb stehen und schnaubte. Dann tänzelte er nervös und legte die Ohren an. Sie versuchte ihn zu beruhigen, aber er stieg leicht und drehte sich im Kreis.
    Sie stieg ab und untersuchte die Straße vor ihr, konnte aber nichts erkennen. Es war zu dunkel. Plötzlich hörte sie aus dem Gebüsch ein Stöhnen. Sie ging vorsichtig hin und erkannte eine Gestalt am Wegesrand liegen. Sie blieb kurz stehen, aber der Schemen rührte sich nicht, nur das Stöhnen ließ erkennen, das da jemand am Leben war, aber Schmerzen litt.
    Schließlich überwand sie sich und kniete neben der Gestalt nieder. Sie roch Blut und als sie tastete, spürte sie die klebrige Feuchtigkeit. Sie hatte die Handschuhe nicht wieder angezogen und nun fühlte sie mit der linken Hand nach der Verletzung. Sie keuchte auf, als ihr die Informationen zuflossen: Der Körper vor ihr war mehr tot als lebendig. Eine riesige Wunde am Bauch würde in Kürze zum Tod führen. Es war ein Mann, und er war nicht bei Bewusstsein.
    Für einen kurzen Moment versuchte Annabelle sich zu wehren, aber sie konnte nicht mehr verhindern, dass die Kraft in ihr begann, den Mann zu heilen. Ihre Hand glühte grün und sie hatte das Gefühl, ihre eigene Lebenskraft würde von diesem Körper aufgesogen, um die Wunden zu heilen. Sie konnte nichts tun, immer mehr und mehr wurde aus ihr abgesaugt, es gab keinen Halt, keinen Stopfen, keine Schleusentore. Sie wurde bewusstlos.
     
    * * *
     
    Paul war verzweifelt: Wo war Annabelle? Als er zurückgekommen war, hatte er weder sie noch die Kutsche finden können. Wahrscheinlich war sie nach Hause gefahren. Er hatte nicht gezögert, sondern war sofort losgelaufen. Er konnte um diese späte Stunde aber so schnell keine Mietdroschke finden und rannte fast den ganzen Weg. Er schalt sich einen Idioten. Warum hatte er sie auch so stehen lassen?
    Es hatte sowieso nichts gebracht, nach seiner Mutter zu sehen – sein Vater hatte ihn nicht zu ihr gelassen. Er hatte noch kurz ihren weinerlichen Vorwürfen durch die Türe gelauscht und war dann wieder nach unten gegangen. Diese Zeit hatte Annabelle genügt, um zu verschwinden.
    Das Anwesen der Rosenherz war dunkel und abweisend. Er stand ratlos vor der Tür – sollte er klopfen? Hatte er das Recht dazu oder sollte er nicht die Nacht abwarten? Er schalt sich einen Idioten. Lange lief er unschlüssig vor dem Haus auf und ab, bis ihm jemand aus der Dunkelheit entgegen trat.
    “ Was tun Sie hier?”, fragte der Mann ihn.
    “ Ich bin Paul Falkenberg und wollte eigentlich zu Fräulein Rosenherz.” Er kam sich idiotisch vor, mitten in der Nacht,

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