Aetherhertz
gesunde Lebenslust aus, die ihn einfach unwiderstehlich machte. Oder war es die Uniform? Nein, es war sein Lächeln, seine Augen, das Versprechen der Kraft in seinen Bewegungen. Die Männer machten die Runde und ließen auch die Freifrau nicht aus. Die alte Dame errötete unter den Komplimenten wie ein Schulmädchen und ließ ihre Augen wohlwollend auf Annabelle ruhen. Bevor ihre Anwesenheit den Reiz verlor, verabschiedeten sich die Männer kurz danach und verließen den Raum.
Annabelle sah Friedrich Falkenberg nach, der sich an der Tür noch einmal kurz umdrehte und ihr zu zwinkerte. Zum wiederholten Mal an diesem denkwürdigen Tag wurde ihr eng in der Brust. Wie sollte das gut enden? In den Händen hielt sie noch sein Halstuch, aber als sie es bemerkte, war er schon weg.
Kapitel 4
Walter Hartmann betrat frühmorgens sein Geschäft. Er steckte den Schlüssel in die Hosentasche, atmete erst einmal tief ein und schloss dabei genießerisch die Augen. Das Aromagemisch von Butter, Schokolade, Vanille, Marzipan und vielem mehr war besser als jedes Parfum. Er liebte seinen Beruf als Konditor.
Mit wachsamen Augen durchschritt er den Verkaufsraum, immer auf der Suche nach Nachlässigkeiten des Personals. Aber heute war alles blitzblank und jedes Utensil stand an der dafür vorgesehenen Stelle. Er konnte sich trotzdem nicht beherrschen und fasste einige Teile an, um sie kurz zu verrücken und dann wieder auf ihren Platz zu legen.
Er war stolz auf seine Konditorei. Mit dem ersten richtigen Geld, das er verdiente, nach dem er seinen Lehrherrn beerbte, hatte er den ganzen Laden renoviert. Jetzt sah es so aus, wie er es sich vorgestellt hatte. Die Wände waren in lindgrün und rosa gehalten, Pastellfarben, die sich in den Buttercremetorten wiederholten. Hier und dort gab es Ornamente in kräftigen Beerentönen, mit denen er auch seine Obstkuchen dekorierte. Goldene Akzente hoben die fruchtigen Farben hervor und das Schaufenster war ein großartig geschwungener Bogen aus verschiedenen Scheiben. Der dunkle Holzfußboden knarrte an vertrauten Stellen und erinnerte ihn an herbe Schokolade und Nüsse. Alles wundervoll sauber, akkurat, exklusiv und teuer.
Er zog seine Weste zurecht, strich über den teuren Wollstoff seines Anzugs, befingerte liebevoll die goldene Kette, bevor er seine Taschenuhr aus der Westentasche holte. Er bewunderte sich selbst für seinen Geschmack, denn die Uhr war auf subtile Weise gleichzeitig luxuriös und elegant. Er klappte sie auf und wartete, bis der Sekundenzeiger die volle Stunde anzeigte.
Dann öffnete er die Seitentür, um das Personal einzulassen. Er selbst platzierte sich so, dass er dabei alle sehen konnte. Auch sie wurden einer gründlichen Musterung unterzogen. Ihre Uniformen mussten blitzblank und faltenlos sein. Dann begab er sich in sein Büro. Er hatte gerade den Mantel ausgezogen, da klopfte es. Frau Meier, seine erste Verkäuferin, trat zur allmorgendlichen Besprechung an.
„ Was liegt an?“, fragte Walter Hartmann, wie jeden Tag.
„ Nun, wir haben einige Bestellungen von Torten und Gebäck. Einiges ist gestern schon vorbereitet worden, das muss nur noch fertig gemacht werden. Aber wir werden wieder nicht alle Bestellungen von »Herzblut« erfüllen können.“
Walter nickte zufrieden und strich sich über den kahlen Kopf.
„ Das ist gut so. Machen Sie sich keine Sorgen.“
„ Da sind Herrschaften dabei, die so etwas nicht dulden wollen. Sie sind es nicht gewöhnt, dass man ihre Wünsche nicht erfüllt.“ Die Stimme der Frau war schrill und unangenehm.
Walter beugte sich nach vorne und sah die Frau an: “Ich sagte, machen Sie sich keine Sorgen! Überlassen Sie das mir. Was sollen die Herrschaften denn tun?“
Frau Meier nickte ängstlich. Sie respektierte ihren Chef, aber er war ihr unheimlich. Er hatte kein Haar auf dem Kopf, noch nicht einmal Augenbrauen oder Wimpern. Seine Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz erschienen. Wenn er wütend wurde, dann schien ein Feuer in ihnen zu lodern.
Zusammen mit seiner dunklen Hautfarbe hatte Frau Meier ihren Chef schon einmal heimlich mit dem Teufel verglichen.
Aber er machte diese wundervollen Torten, außergewöhnliches Gebäck und nicht zuletzt: Die Praline »Herzblut«. Frau Meier hatte die Praline noch nie gegessen. Walter Hartmann achtete streng darauf, dass niemand bei der Herstellung dabei war. Wenn die Angestellten morgens kamen, waren die Pralinen fix und fertig auf den Tabletts. Auch die Verpackung
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