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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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überwachte der Chef persönlich. Falls es einmal passieren sollte, dass eine Praline bei dem Vorgang zerbrach oder herunter fiel, dann kümmerte er sich höchstpersönlich um die Reste.
    Es war alles sehr geheimnisvoll. Die Pralinen kosteten ein Vermögen – aber sie wurden ihnen aus den Händen gerissen. Die Kunden, vor allem Frauen, kamen immer wieder und wollten mehr. Sie versuchten es mit Bestechung und irgendwann auch mit Betteln oder Drohungen. Aber es gab nur eine begrenzte Menge, die in den direkten Verkauf ging. Alles andere lief über Bestellungen. Und die nahm nur der Chef persönlich an.
    „ Wissen sie was?“, hörte sie Walter Hartmann jetzt sagen. „Wir nutzen die Gunst der Stunde. Bis morgen habe ich genug »Herzblut« hergestellt, um damit den Bedarf kurz zu decken. Ich mache ihnen einen Bestellzettel fertig. Machen Sie den Lieferanten Feuer, damit wir heute Nachmittag alles da haben. Ich werde die Nacht durcharbeiten.“
    Frau Meier erschrak. Das würde einen Ansturm geben! Vielleicht konnte man noch eine Verkäuferin einstellen? Sie traute sich aber nicht zu fragen.
    „ Ich mache noch die Torten fertig. Die nächsten Tage muss Heinz das aber machen. Wofür habe ich ihn schließlich eingestellt? Jetzt machen sie schon, hopp hopp, das Geschäft muss brummen.“
     
    Walter Hartmann stand auf und fühlte sein Blut schneller durch seine Adern kreisen. Ja, so musste es sein. Mehr, mehr, er brauchte das, immer unter Druck, das gab einem das Gefühl, zu leben ... Wenn er fertig war mit backen, musste er aber einmal entspannen. Er ging in die Backstube und griff nach dem Lehrling, der sich erschrocken duckte.
    „ Geh zu Depuis. Sag der fetten Schnecke, ich komme. Er soll ja nicht wagen zu früh Feierabend zu machen. Ich möchte zwei – nein, drei Mädchen. Und alles, was ich sonst immer habe. Lauf!“
    Der Lehrling hastete aus der Backstube, und Walter Hartmann sah sich um. Alles lief perfekt! Er rieb sich die Hände und pfiff einige Noten.
     
    * * *
     
    Es war spät geworden, gestern Abend. Nachdem die Aufregung über das Erscheinen der Blitzmänner abgeebbt war, teilten alle ihre Empfindungen beim Essen der Pralinen. Annabelle fand es irritierend, dass es den anderen Frauen offenbar wie ihr gegangen war. Die Gefühle waren so intensiv gewesen, dass sie es kaum ertragen konnte, dass die Anderen ähnliche gehabt hatten. Als hätte man etwas zutiefst Intimes mit völlig Fremden geteilt.
    Es herrschte allerdings bei den meisten Frauen Einigkeit darüber, dass die Sopranistin außergewöhnlich gut gewesen war, und das Zusammenspiel der Musik mit dem Genuss der Praline erst diesen Gefühlsüberschwang verursacht hatte. Nachdem man sich artig bei Frau von Strebnitz bedankt hatte, waren einige Damen, einschließlich Johanna und damit auch Annabelle noch durch den Kurpark spaziert. Das war immer ein Erlebnis, auch zu dieser kalten Jahreszeit.
    In anderen Städten waren die Parks an Flüssen nicht mehr begehbar. Dort schienen sich Verdorbene nachts zu treffen, um in den Æthernebeln dem unvorsichtigen Spaziergänger aufzulauern. Die Rheinauen waren beispielsweise ein Ort, an den selbst Blitzmänner nur sehr selten und schwer bewaffnet gingen.
    In Baden-Baden hatte die Gegend um das Kurhaus aber eine märchenhafte Atmosphäre. In den Schleiern des Æthers, der hier ganz selten und nur sehr dünn zu sehen war, konnte man an manchen Tagen winzige Feen beim Tanzen beobachten oder überirdisch schönen Froschkonzerten lauschen. Das hatte allerdings auch dazu geführt, dass es immer sehr voll war und es im Park keinen Ort gab, an dem man wirklich allein sein konnte.
    Die Damen zogen noch kichernd und plappernd in die Trinkhalle ein. Zu dieser späten Stunde waren trotzdem noch viele Menschen hier, um von dem heilkräftigen Wasser zu trinken. Die nach vorne offene Säulenhalle war an der Hinterseite mit prächtigen meterhohen Wandmalereien verziert, die die lokalen Sagen und Mythen illustrierten. Im Innenraum floss das Wasser aus mehreren Hähnen in Marmorbecken. Hier verweilten viele Kranke mit ihren Begleitungen, um immer wieder von dem Wasser zu trinken und um Genesung zu beten.
    Annabelle mochte die Stimmung der Trinkhalle nicht. Das Wasser schmeckte wie warmes Blut und wieder fand sie es schade, ihren Handschuh nicht ausziehen zu können. Dieser Ort hatte immer so viel zu erzählen. Andererseits hatte sie an diesem Tag schon genug starke Empfindungen gehabt, und überließ es den anderen Damen, eine Tasse

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